Für ein friedliches Europa und eine atomwaffenfreie Welt. Rede bei „Pulse of Europe“ in Köln

Bei der heutigen „Pulse of Europe“-Aktion in Köln rief Stefanie Intveen, DFG-VK Gruppe Köln, dazu auf, sich für die Abrüstung der Atomwaffen einzusetzen. Es folgt der Text ihres Redebeitrags:

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

während wir hier auf dem Roncalliplatz in Köln über Europa als Friedensprojekt sprechen, droht 4.000 Kilometer entfernt, in Syrien, Russland damit, die US-amerikanischen Militärflugzeuge über Syrien abzuschießen. Vor wenigen Tagen haben Russland und die USA den regelmäßigen Austausch militärischer Informationen über ihre jeweiligen Angriffsflüge eingestellt. Im Moment sieht es nicht danach aus, als wolle sich eine der beiden Seiten zurückziehen. Die Bundeswehr befindet sich im Syrienkrieg auf der Seite und unter der militärischen Führung der USA.

Russland und die USA besitzen insgesamt rund 13.800 Atomsprengköpfe. Tausende dieser Sprengköpfe sind innerhalb von Minuten einsetzbar. In den letzten siebzig Jahren wurden zwanzig Zwischenfälle bekannt, in denen nur Zufall und glückliche Fügung eine Vernichtung des Lebens auf der Erde durch einen Atomkrieg verhinderten.

Die alten Römer sagten „Si vis pacem para bellum“ – „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor.“ Das ist das uralte Prinzip der Abschreckung, der Friedenserzwingung durch Drohung.

Wir leben aber nicht mehr im Römischen Reich. Mit den Atomwaffen des 21. Jahrhundert setzt die Politik der Abschreckung nicht weniger aufs Spiel als das Überleben der Menschheit.

Im Vordergrund steht die Rednerin mit dem Mikro in der Hand auf einem Pritschenwagen. Dahinter sieht man das blaue Transparent mit der gelben Schrift "#PulseOfEurope". Ganz oben am Rand erkennt man ein bisschen vom Turm des Kölner Doms.

Stefanie Intveen am 2.7.2017 bei „Pulse of Europe“ in Köln. Foto: Daniela Eckstein.

Der Zusammenbruch des Minimums an Vertrauen zwischen den politischen und militärischen Führungen der beiden größten Nuklearmächte der Welt, den wir jetzt gerade in Syrien beobachten, hätte in der Logik des Gleichgewichts des Schreckens nie passieren dürfen. Diese Logik beruht auf falschen Voraussetzungen, beispielsweise geht sie davon aus, dass die Gegner immer vollständig informiert sind und immer vernünftig handeln.

Auch die Europäische Union verharrt in der Abschreckungs- und Kriegslogik. Sie rüstet auf und arbeitet an der Gründung einer Europäischen Armee und einem europäischen Militärhaushalt.

Was können wir, die europäischen Bürgerinnen und Bürger tun?

Erstens können wir darüber diskutieren, ob die Lage tatsächlich so brisant ist, wie ich es gerade skizziert habe.

Zweitens können wir im Internet aktiv nach Informationen suchen und uns eine fundierte Meinung bilden.

Drittens können wir unsere Bundestagsabgeordneten und die Bundesregierung ansprechen, Fragen stellen und Forderungen formulieren.

Nächste Woche findet das G20-Gipfeltreffen in Hamburg statt. Der ehemalige deutsche Top-Diplomat Wolfgang Ischinger hat kürzlich gemeinsam mit anderen einen Offenen Brief an Donald Trump und Wladimir Putin geschrieben. Darin schlagen die Unterzeichner vor, die beiden Präsidenten sollten ihr Zusammentreffen in Hamburg nutzen, um sofort vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die beiden Großmächten in einen Krieg schlittern. Die europäische Zivilgesellschaft, also wir alle, können auf solche Initiativen aufmerksam machen und unsere Politikerinnen und Politiker auffordern, sie zu unterstützen.

Die Mayors-for-Peace-Flagge trägt eine grüne Aufschrift auf weißem Grund. Hier flattert sich vor dem Kölner Rathausturm. Das Foto ist von unten aufgenommen, sodass man den blauen Himmel und weiße Wölkchen im Hintergrund sieht.

Flagge der Mayors for Peace vor dem Rathausturm Köln. 8.7.2016. Foto: Stefanie Intveen

In diesen Tagen verhandeln 134 Staaten in New York im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen über ein vollständiges Verbot und eine umfassende Abrüstung der Atomwaffen. Die europäischen NATO-Staaten haben die Aufnahme der Verhandlungen abgelehnt, nachdem die US-Regierung das verlangt hatten. Nur die Niederlande haben sich dieser Aufforderung widersetzt und nehmen an den Verhandlungen teil.

Der Verhandlungsprozess orientiert sich an ähnlichen erfolgreichen globalen Initiativen zur Ächtung der biologischen, chemischen Kampfstoffe, sowie der Landminen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sind zu Beratungen und Kommentierungen der Vertragsentwürfe bei den Vereinten Nationen zugelassen. In allen Ländern Europas, natürlich auch in Deutschland, gibt es Friedensorganisationen, die daran mitwirken. Wer über das Diskutieren und Informieren hinaus noch Zeit und Kraft genug hat, kann sich solchen Organisationen anschließen und an der Verwirklichung einer nuklearwaffenfreien Welt mitarbeiten.

Mahatma Ghandi erklärte die Wirkung seiner gewaltfreien Methode so: Ihr

Porträt der Rednerin. Sie hat kurze, strubbelige, hellbraune Haare, eine Brille, ein helles Tuch um den Hals und spricht in das Mikro.

Stefanie Intveen am 2.7.2017 bei „Pulse of Europe“ in Köln. Foto: Daniela Eckstein.

Wesen bestehe darin, „Feindschaften zu liquidieren und nicht die Feinde selbst“.

In diesem Sinne sollte Europa nicht das Schlusslicht sein, sondern mit gutem Beispiel vorangehen. Wir Europäerinnen und Europäer können daran mitwirken.

Vielen Dank für Ihre Geduld, und ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag.

 

Lesehinweise:

Damir Fras: Nukleare Bedrohung wird verdrängt. Deutschland nimmt nicht an den Verhandlungen der UN-Staaten über ein Verbot von Atomwaffen teil. Das ist ein Fehler. Leitartikel Frankfurter Rundschau vom 19.6.2017

Dieter Deiseroth (Interview): Die Diskussion über Atomwaffen ist von Legenden und Mythen bestimmt, telepolis, 29.6.2017

ICAN Deutschland (Deutscher Zweig der internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen)

Ray McGovern: Putin-Obama Vertrauen schwindet, Übersetzung eines Artikels in der Baltimore Sun vom 30.10.2016

SIPRI: Global nuclear weapons: modernization remains the priority, Pressemitteilung vom 3.7.2017

Wolfgang Ischinger u. a.: Offener Brief an Präsident Trump und Präsident Putin, 27.6.2017 (dt. Übersetzung 1.7.2017)

Copyright: Stefanie Intveen; Verwendung ist kostenfrei und ohne Gewähr möglich. Um einen Publikationshinweis an stefanie.intveen@web.de wird freundlich gebeten. Korrigierte und mit Lesehinweisen ergänzte Textversion vom 3.7.2017.

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