Mossul: Unterstützt Bundeswehr Krieg gegen Zivilbevölkerung?

Anhand alarmierender Pressemeldungen aus der Stadt Mossul im Irak stellte der Friedens- und Konfliktforscher Henrik Paulitz (Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung) am 3. Juli 2017 fest, es handle sich um einen „vornehmlich gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Krieg„. Die Bundeswehr ist indirekt an der Eroberung Mossuls beteiligt.

Das Online-Portal der Tagesschau hatte am 16. Oktober 2016 mit Bezug auf die dpa gemeldet, „eine internationale Koalition aus mehr als 60 Staaten und Organisationen“ bekämpfe die Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien und im Irak. Am „Sturm auf die Millionenstadt Mossul“ sei die Bundeswehr zwar nicht direkt beteiligt, unterstütze „die Operation“ aber indirekt.

Zwei Friedensaktivisten halten ein weißes Stofftransparent , auf dem in schwarzer und roter Farbe der "Krieg gegen den Terror" durch immer größer werdende Schriftzeichen "Terror Krieg Terror Krieg", fallende Blutstropfen, Raketen und die Ländernamen "Afghanistan - Irak - Libyen - Syrien" symbolisiert wird.

Beim Ostermarsch 2016 in Köln: Krieg gegen den Terror. Foto: Herbert Sauerwein.

Demnach bildet die Bundeswehr im Nordirak religiös und ethnisch begründete (para-)militärische Gruppierungen aus und habe sie mit Waffen und Munition beliefert. Die kurdischen Peschmerga hätten u.a. 1200 Panzerabwehrraketen, 400 Panzerfäuste, mehr als 20.000 Sturmgewehre und mehrere Millionen Schuss Munition erhalten.

Es folgt der Beitrag von Henrik Paulitz vom 3. Juli 2017:

Angeblich wird im Nahen Osten der so genannte Islamische Staat (IS) bekämpft. Bei genauer Betrachtung erkennt man allerdings einen brutalen, vornehmlich gegen die Zivilbevölkerung gerichteten Krieg.

Merkwürdigerweise ist von einer „Befreiung“ die Rede, wenn über den Krieg in der nord-irakischen Stadt Mossul berichtet wird. Tatsächlich aber erfährt die Weltöffentlichkeit in einer Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) vom 2. Juli 2017, dass in Mossul die Bevölkerung trotz der bevorstehenden Kämpfe „nicht evakuiert“ wurde. Zehntausende Zivilisten seien in der Altstadt „gefangen“, weite Teile der Altstadt „in Trümmer gelegt“ worden. Ende Juni, Anfang Juli 2017 sollen Flugzeuge jeden Tag 20 Luftangriffe auf ein nur noch einen Quadratkilometer großes Territorium der Stadt geflogen haben.

Darüber hinaus findet sich in dem u.a. im „Handelsblatt“ veröffentlichten Agentur-Bericht vom 2. Juli 2017 ein Satz, über den die Weltöffentlichkeit sehr intensiv nachdenken und diskutieren sollte:[1]

„Soldaten beauftragten in Mossul zudem oft Luftunterstützung, nur um Gruppen von zwei bis drei Kämpfern mit leichten Waffen auszuschalten.“

Mit anderen Worten: Man bombardiert systematisch die Zivilbevölkerung in der Altstadt der Millionen-Stadt Mossul.

Als Rechtfertigung ist die Rede von Gruppen von zwei bis drei Personen „mit leichten Waffen“, was normalerweise – sofern dieser Rechtfertigungsgrund tatsächlich zutrifft – allenfalls einen sehr begrenzten Einsatz am Boden zur Folge haben dürfte.

Dienen angebliche „Stellungen“ vermeintlicher militärischer Gegner als Legitimation dafür, die Zivilbevölkerung in großem Ausmaß zu bombardieren und zu vertreiben?

Der Berliner Politologe und Konfliktforscher Prof. Dr. Herfried Münkler skizziert den Charakter der „Neuen Kriege“ als Auseinandersetzungen nicht zwischen Kriegsparteien, sondern als Krieg gegen die Zivilbevölkerung:

„Es gibt keine Fronten mehr, und deshalb kommt es auch nur selten zu Gefechten und eigentlich nie zu großen Schlachten, sodass sich die militärischen Kräfte nicht aneinander reiben und verbrauchen, sondern sich gegenseitig schonen und die Gewalt stattdessen gegen die Zivilbevölkerung richten.“

Dass sich in den neuen Kriegen „die Gewaltanwendung von den gegnerischen Streitkräften“ auf die Zivilbevölkerung verlagert, ist nach Auffassung Münklers „das Ergebnis kalkulierter Planung“.[2]

Das gezielte Töten von Zivilisten als Charakteristikum aktueller Kriege wahrzunehmen und als eigentliches Kriegsziel zu entlarven, ist ein wichtiges Mittel, um Kriege zu delegitimieren. Dies ist auf die politische Agenda zu setzen.

Mehr dazu:
Henrik Paulitz: Anleitung gegen den Krieg – Analysen und friedenspolitische Übungen
Lektor: Dr. Winfrid Eisenberg, Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie und Friedensforschung, 2016, 2. Auflage 2017, Taschenbuch, ISBN 978-3-981-85250-9
Weitere Informationen & Bestellung:
www.akademie-bergstrasse.de

[1] Handelsblatt (Associated Press): Luftangriffe auf Altstadt von Mossul. Reporter beobachten Hunderte teils schwer verletzte Zivilisten. 02.07.2017.

[2] Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Rowohlt. 2002. S. 11, 94 f. u. 146.

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