Trauer um Andreas Buro

Prof. Dr. Andreas Buro, Friedensforscher und jahrzehntelanger Vordenker der deutschen Friedensbewegung, ist am Dienstag, dem 19.1.2016, im Alter von 87 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit in seinem Haus in Grävenwiesbach im Taunus im Kreise seiner Familie friedlich eingeschlafen und verstorben.

http://www.grundrechtekomitee.de/node/735

Andreas Buro ist am 19. Januar 2016 im Alter von 87 Jahren an einem schweren Krebsleiden verstorben. Seine
Freundinnen und Freunde aus dem Grundrechtekomitee und der Friedensbewegung trauern um einen
einzigartigen Menschen. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei seiner Familie, seinen Liebsten und
Vertrauten.
Andreas Buro, geboren 1928 in Berlin, war 1980 Mitbegründer des Grundrechtekomitees. Bis 1994 war er
dessen Sprecher und zusammen mit Klaus Vack als Geschäftsführender Vorstand aktiv. Seit 1994 bis zu seinem
Tode wirkte er für das Grundrechtekomitee als friedenspolitischer Sprecher. Auf ungezählten Kundgebungen,
Demonstrationen, Tagungen und Kongressen sprach er engagiert über seine Friedensutopien, die er realpolitisch
zu fundieren verstand. Der Friedensforscher, Friedensaktivist und Mitbegründer der Ostermärsche war seit Ende
der 1950er Jahre friedenspolitisch engagiert, zuerst in der „Internationale der Kriegsdienstgegner“ und bei
„Kampf dem Atomtod“. 1965-1969 war er Sprecher des Zentralen Ostermarschausschusses. Seitdem wirkte er
zugleich in vielen internationalen friedenspolitischen Zusammenhängen.
Für das Grundrechtekomitee arbeitete er in den 1980er Jahren im Koordinierungsausschuss der
Friedensbewegung mit, der die Großdemonstrationen in Bonn Anfang der 1980er Jahre gegen den
„Nachrüstungsbeschluss“ der NATO organisiert hatte. In den 1990er und 2000er Jahren wendete er sich immer
wieder gegen die neuen Interventionskriege der NATO, an denen sich die Bundesrepublik seit dem Krieg gegen
Jugoslawien beteiligt. Den Propagandisten der sogenannten humanitären Intervention setzte er die Argumente der
zivilen Konfliktbearbeitung entgegen und entlarvte die kriegsverniedlichenden Verschleierungen, die die
Regierung dem neuen militärischen Interventionismus umzuhängen versucht.
Sein Vermächtnis lautet auch aktuell: „Terror kann man nicht mit Krieg bekämpfen. Krieg ist Terror.“ 2008
wurde ihm der Aachener Friedenspreis verliehen. 2013 erhielt er den Göttinger Friedenspreis. 2011
veröffentlichte Andreas Buro seine Autobiographie „Gewaltlos gegen Krieg. Lebenserinnerungen eines
streitbaren Pazifisten“. In Memoriam zitieren wir einen Auszug aus seinem Gedicht am Ende dieses Buches (S.
318):
Eines Tages werden
Stimme und Wort
meine Hörer nicht mehr erreichen.
Wie sollen dann meine Friedensgedanken
noch wirken?
Wird Frühling sich immer wieder
strahlend eröffnen,
wenn ich nicht mehr bin,
oder hat Apokalypse
die Blütenträume zertreten?
Einmal ist es das letzte Mal.
Was bohrt dieser Satz
so tief in mir?
(Zum Lebenslauf vgl. anhängende „Kurzbiographie Andreas Buro“ und Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Buro)
Ein bedeutender Schwerpunkt seiner Friedensarbeit lag in den letzten Jahren in der Erforschung und
Beschreibung von zivilen Strategien zur Prävention und Deeskalation von Konflikten. In der Dossier-Reihe des
„Monitoring-Projektes“ hat Andreas Buro alternative politische Konfliktlösungen ausgearbeitet, u.a. zum
Afghanistan-Krieg, zum Iran-Konflikt, zum türkisch-kurdischen und zum Israel-Palästina-Konflikt, und zuletzt
auch zum Krieg in Syrien und den Anforderungen an eine umfassende Friedenslösung in Nah-Mittel-Ost.
Mit diesem Arbeitsschwerpunkt blieb Andreas Buro seiner seit Jahrzehnten in Friedensforschung und
Friedensbewegung verfolgten Linie treu, die Analyse und Kritik der herrschenden Gewalt- und Kriegszustände
mit dem Aufzeigen von gewaltfreien zivilen Alternativen zu verbinden. Das rührt aus seiner Überzeugung, dass
man die Menschen für die Sache des Friedens und des Pazifismus nur gewinnen kann, wenn glaubwürdig und
nachvollziehbar dargelegt wird, wie denn ohne Rückgriff auf Waffen und Militär die vielfältigen Konflikte
unserer Zeit bearbeitet und einer Lösung zugeführt werden können.
Er war ein kluger Stratege und Taktiker, der sich auf die Notwendigkeit einstellte, den Weg nur Schritt für
Schritt gehen zu können. Um die Vielen auf dem Weg mitzunehmen, war die geduldige Organisierung sozialer,
emanzipativer Lernprozesse ein weiteres durchgehendes Thema im politischen und akademischen Leben von
Andreas Buro. Letzteres konzentrierte sich auf die Universität Frankfurt, wo er seit Anfang der 70er Jahre wirkte
– als Lehrbeauftragter, Privatdozent und Professor, mit Schwerpunkten bei Internationalen Beziehungen,
Entwicklungspolitik, europäischer Integration, Friedensforschung und sozialen Bewegungen.
Andreas Buro hat in seinem Leben so viele Wellen der sozialen Bewegungen miterlebt, dass ihm Euphorie und
Resignation gleichermaßen fern lagen. Vielmehr folgte er dem Diktum Gramscis vom Pessimismus des Wissens
und dem Optimismus des Handelns. Das hat ihn seit seinem Engagement in der Internationale der
Kriegsdienstgegner (IdK) und in der Kampagne „Kampf dem Atomtod“ in den 50er Jahren bis heute
vorangetrieben. Ostermarschbewegung, außerparlamentarische Opposition gegen Notstandsgesetze und
Vietnamkrieg, Kampagne für Demokratie und Abrüstung, Mitgründung des Sozialistischen Büros und der
Zeitschrift „links“ waren weitere Stationen auf dem Weg. 1980 dann gehörte er zu den Gründern des Komitees
für Grundrechte und Demokratie, das er seitdem mitgeprägt hat, viele Jahre als Sprecher und im
Geschäftsführenden Vorstand, bis zuletzt als friedenspolitischer Sprecher. In den 1980er Jahren vertrat er das
Komitee in der „neuen“ Friedensbewegung, die seinerzeit eine große Massenbewegung war, die Hunderttausende
zu Demonstrationen auf die Straße brachte. Er war eine der Schlüsselfiguren jener Bewegung, auch damals
darauf bedacht, den Protest und Widerstand gegen die nukleare „Nach“rüstung zu verbinden mit dem Aufzeigen
von Alternativen.
Der grenz- und blockübergreifende Charakter dieser Bewegung lag ihm besonders am Herzen. Die internationale
Zusammenarbeit war stets ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten, beginnend mit seinem Engagement bei der
Organisierung des Friedensmarsches San Francisco – Moskau 1961 und der Mitbegründung der „International
Confederation for Disarmament and Peace“ und der World Peace Brigades, über die Mitgründung der „Helsinki
Citizens` Assembly“ bis zur Gründung des Dialog-Kreises für türkisch-kurdische Verständigung und für eine
politische Lösung des Kurdenkonflikts im Jahre 1995. Bis zuletzt war Andreas Buro der Mittelpunkt des Dialog-
Kreises und Herausgeber seiner „Nützlichen Nachrichten“. Sein internationalistisches Engagement hat ihn im
Lauf der Jahrzehnte in aller Herren Länder geführt; Moskau, Washington, Peking, Istanbul, Tiflis, Paris, Beirut
usw. sind wiederkehrende Stationen seiner politischen Reisetätigkeit. Von den Herrschenden wurde er zumeist
nicht besonders freundlich empfangen, dafür aber erfuhr er von den menschenrechtlich und friedenspolitisch
aktiven Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder wegen seiner (kritischen) Solidarität und ruhig-bescheidenen
Art, zuzuhören und Vorschläge zu machen, desto mehr Respekt, Sympathie und Zuneigung. In dem von ihm
herausgegebenen Buch „Geschichten aus der Friedensbewegung“ (Köln 2005) kann man darüber
Nachdenkliches, Kurioses, Empörendes und Mutmachendes lesen.
In seinem Buch über die Friedensbewegung „Totgesagte leben länger“ schrieb Andreas Buro: „Sicher ist der
Weg zu einer solidarischen Weltgesellschaft ein unendlicher Weg. Wir werden niemals das Ziel ganz erreichen.
Deshalb wird zu Recht gesagt, der Weg sei das Ziel, will sagen: Auf dem Weg erreichen wir nur Teilziel um
Teilziel. Natürlich verirren wir uns auch, aber wir haben Chancen, zurückzufinden und dann den Weg
wiederaufzunehmen. Wäre es nicht ein großartiges und bedeutendes Etappenziel, militärische Gewalt aus dem
Arsenal menschlich-unmenschlicher Instrumente auszuklammern? (…) der Weg, über den wir hier sprechen,
(kann) ein sehr erfülltes, ereignisreiches und sinnvolles Leben bedeuten.“ (Andreas Buro: Totgesagte leben
länger – Die Friedensbewegung. Idstein 1997, S. 204f.). Ein solches Leben hat Andreas Johann Peter Ludwig
Buro bis zum Ende gefuehrt.
Dr. Volker Böge / Martin Singe

 

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