Isabelle Casel bei #AlleFürsKlima: „Energieverschwendung durch Militär, Rüstungsindustrie, Krieg stoppen!“

Ungekürzte Fassung der Rede zum Kölner Klimastreik am 20.9.2019 von Isabelle Casel.

Eine hübsche ältere Frau mit roten welligen Haaren, einem dünnen schwarzen Halsreifen und in heller, geblümter Sommerbluse spricht in ein Mikro.

Isabelle Casel, Sprecherin der DFG-VK Gruppe Köln, bei #AlleFürsKlima. Hohenzollernring, Köln, 20.9.2019. Foto: Stefanie Intveen

Ich freue mich total, dass ihr alle da seid! Und, dass die Friedens- und Klimabewegung an diesem Wochenende des Internationalen Weltfriedenstages am 21.9. und des weltweiten Klimastreiks heute zusammenkommt. Wir haben erkannt, dass unsere Ziele thematisch eng miteinander verbunden sind und dass wir sie mit vereinten Kräften erreichen wollen.

Die Klimakrise verschärft nicht nur Kriegsursachen und fördert damit Kriege, sondern Krieg, Militär und Rüstungsindustrie gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen, Feinstaubbelastungen und Umweltkatastrophen weltweit. Im Kyoto Protokoll und den anderen UN-Klimadokumenten einschließlich der Charta von Paris wurde das Militär von den Regierungen, auf Druck der NATO-Staaten, allerdings absichtlich ausgeklammert – das muss dringend geändert werden!

Staatliche Militärapparate gehören zu den größten Verbrauchern von Energie und anderen Ressourcen und verschlingen weltweit 1,8 Billionen Dollar an Rüstungsausgaben (fast 2000 Milliarden, eine Zahl mit 12 Nullen). Dabei sind Privat- und Söldnerarmeen noch nicht einmal mitgerechnet. Dies ist so eine gewaltige Abzweigung öffentlicher Ressourcen – unserer Steuergelder, die stattdessen unbedingt in erneuerbare Energien und Umweltschutz investiert werden müssen!

Die Armeen weltweit verursachen enorme Mengen an klimaschädlichen Emissionen: bei der Produktion, dem Handel, Export und Transport von Waffen, bei Manövern und vor allem durch Kriegseinsätze selbst und bei anschließenden Besatzungen. Allein 2018 gab es 24 Kriege und bewaffnete Konflikte. Wir fordern daher:

  • Stopp der Rüstungsexporte, insbesondere an kriegführende Staaten.
    Verbot der Lizenzvergabe und der Verlagerung von Rüstungsfirmen ins Ausland.
  • Festhalten an Grundgesetz und Völkerrecht – keine Kriegsdrohungen, Interventionen und „Regime Changes“ oder Beteiligung daran! Von Deutschland darf nie mehr Krieg ausgehen – keine Auslandseinsätze der Bundeswehr!

Der Treibstoffverbrauch bei Panzern, Kriegsflugzeugen und Kriegsschiffen ist selbst in Friedenszeiten enorm, entsprechend hoch sind auch die Emissionen. Auf mehr als 260 Bundeswehrstandorten wird täglich der Krieg eingeübt, dazu kommen zusätzlich die weltweit durchgeführten mehr als 160 NATO-Militärübungen – fast jeden zweiten Tag also!

Von anderen Staaten liegen uns keine Zahlen vor, nur schraubt sich die Anzahl der Manöver ebenso hoch wie die Rüstungsspirale. Daher brauchen wir eine neue Entspannungspolitik mit Russland, statt Militärübungen an den NATO-Ostgrenzen!

Nun kommen ein paar Zahlen, aber bleibt bei mir, das wird super interessant!

Ein selbst gemaltes Pappschild mit angedeuteten Verbotsschildern für Flugzeug, Auto und Kohlekraftwerk und Gebotsschildern für Bahn, Fahrrad und Windkraftwerk.

„Mach mit!“ bei #AlleFürsKlima, Hans-Böckler-Platz, Köln, 20.9.2019. Foto: Stefanie Intveen

Der Kampfpanzer Leopard 2 verbraucht auf 100 Kilometer bis zu 530 Liter Diesel. Der Kampfjet Eurofighter verbraucht ca. 70-100 Liter Kerosin pro Minuteund produziert pro Flugstunde 11 Tonnen CO2 -das ist so viel, wie durchschnittlich eine in Deutschland lebende Person im gesamten Jahr. Allein auf der Air Base Ramstein finden jährlich 30.000 Starts und Landungen statt. Daher fordern wir: US-Truppenstationierungsvertrag kündigen, keine Steuergelder für US-Militär, keine Kampfjet-Übungen und keine Beihilfe zu US-Drohnenmorden!

Wer, denkt ihr, ist der weltweit größte Einzelverbraucher fossiler Brennstoffe? – Das Pentagon. Das US-Militär hat mit seinen über 1000 Militärstützpunkten einen jährlichen CO2 Ausstoß von 73 Millionen Tonnen und damit mehr die meisten (140) Länder. Allein im Jahr 2017 waren die Treibhausgasemissionen des Pentagons größer als die der Industriestaaten Dänemark oder Schweden.

Auch in Deutschland wird mit den zunehmenden Auslandseinsätzen, dem angestrebten Ausbau der Streitkräfte und der Militärausgaben die Dimension von umweltgefährdender Rüstung schon beim Blick auf den Bundeshaushalt klar: Das Budget für die sogenannte „Verteidigung“ erreichte 2019 einen neuen Rekord, indem es sprunghaft von circa 38,5 Milliarden Euro auf 43,2 Milliarden Euro von der Groko aufgestockt wurde. In den kommenden Jahren soll der Militärhaushalt noch bis über 85 Milliarden steigen!? Das Budget für Umwelt, Naturschutz und sogenannte nukleare Sicherheit dagegen beträgt nur knapp 2,3 Milliarden Euro. (Das ist ein Verhältnis von ca. neunzehn zu eins.)

Es ist zwei Minuten vor Mitternacht auf der Weltuntergangsuhr – das Gremium von 30 Nobelpreisträgern, das jährlich zusammenkommt um die symbolische Uhr zu stellen, warnt drastisch vor der bevorstehenden Gefahr eines Atomkriegs.Atomwaffen sind die existenziellste Herausforderung für die Menschheit, weil sie die Erde zerstören und alles Leben auf einmal ausrotten können. Trotz dieser Gefahr wird in der Öffentlichkeit noch zu wenig über die nukleare Abschreckung diskutiert.

Selbst ein begrenzter Atomkrieg, z.B. zwischen Indien und Pakistan würde durch die enorme Feinstaubbelastung in der Atmosphäre einen sofortigen radikalen Klimawandel auslösen, nur in die andere Richtung: Nuklearer Winter.

Rußpartikel würden die Erdatmosphäre verdunkeln, die Freisetzung von Stickoxyden und Radikalen würde zu einem enormen Temperatursturz führen und die Natur stürbe unweigerlich. Würde man alle vorhandenen 15.000 Atomwaffen zünden, stürben 3 Milliarden Menschen sofort, die jeweilige Umgebung stünde in Flammen und die Temperatur fiele anschließend auf minus 16 bis 26 Grad – die Erde wäre unbewohnbar.

Daher fordern wir:

  • Deutschland und alle EU Länder, die dies noch nicht getan haben, müssen dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten. Sofortiger Abzug der US Atomwaffen aus Deutschland (Büchel) gemäß Bundestagsbeschluss 2010 und Beendigung der nuklearen Teilhabe Deutschlands, sowie Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO.
  • Der INF Vertrag muss erneuert werden! Keine Stationierung von Atomraketen und nuklear bestückbarer Marschflugkörper in Europa!

Kriege waren immer auch Kriege gegen die Natur – am deutlichsten wahrgenommen beim Atomwaffeneinsatz in Hiroshima und Nagasaki, oder im Vietnamkrieg bei der Entlaubung des Dschungels („Agent Orange“) und dem Napalm-Einsatz, bei weißem Phosphor im irakischen Falludscha oder der Uranmunition in Krieg gegen Jugoslawien.

Ein Mädchen zeigt ihr auf Pappe gemaltes Bild mit einem Baum, einer freundlichen Sonne, Blumen und Schmetterlingen. Es sitzt auf dem Schoß seiner Mutter, die in der Sonne zwischen umherlaufenden Menschen auf einem Hocker sitzt.

#AlleFürsKlima, Hans-Böckler-Platz, Köln, 20.9.2019. Foto: Stefanie Intveen

Was Krieg wirklich bedeutet, wissen vor allem diejenigen, die ihn erlebt haben. Es birgt eine Gefahr in sich, dass viele von ihnen heute nicht mehr leben (wie auch meine Mutter) und nicht mehr mit ihrer unvergleichlichen Gewissheit und Schmerz in ihren Augen vor dieser größten Katastrophe für Mensch und Umwelt warnen können. Meine Mutter musste als kleines Kind erfahren, was Krieg bedeutet. Erst nahmen Soldaten ihr den Vater – sie hat ihn nie widergesehen, einige Wochen später wurde ihre Mutter zur Zwangsarbeit abgeführt und noch etwas später wurden sie und ihr zwei Jahre alter Bruder mit vorgehaltenen Gewehren aus ihrem Zuhause gezerrt und in ein Vernichtungslager in Mastort gebracht. Sie musste, selbst schwer Skorbut krank vor Unterernährung, zusehen wie ihre kleine Cousine verhungerte, wie ihre Oma fast totgeschlagen wurde, als sie für die Kinder ein paar Kartoffelschalen aus den Abfällen der Soldaten stehlen wollte, und wie die noch übrigen Männer über Minenfelder getrieben wurden. Irgendwann konnten sie fliehen, und diese Flucht war auch nicht einfach, aber nichts war so schlimm wie das, was vorher geschehen war – der Grund warum sie fliehen mussten – der Krieg – all die Grausamkeiten und Verletzungen an Körper und Psyche für Soldaten wie für ihre unschuldigen Opfer, die Zivilisten!

Gewalt liegt vielleicht in der Natur des Menschen – Krieg dagegen ist organisierte, technisierte Gewalt zur Interessensdurchsetzung kleiner Gruppen Mächtiger zu ihrem Machterhalt und -ausbau. Soldaten werden die Individualität und ihr freier Wille genommen, damit sie für die Interessen Anderer kämpfen. Aber Krieg kann überwunden werden!

Das Problem: Das Kapitalistische System zerstört durch den ungebremsten Wettbewerb um die billigsten Rohstoffe, und Arbeitskräfte sowie die besten Absatzmärkte und Transportwege sowohl die Umwelt, als auch die soziale Gerechtigkeit und das friedliche Zusammenleben der Völker. Der Wachstumskapitalismus ignoriert, dass wir in einer Welt leben, deren Ressourcen endlich sind und unendliches Wachstum daher nicht möglich ist. (Denn es gibt kein Wirtschaftswachstum ohne wachsenden Rohstoff- und Energieverbrauch.)

Wir müssen ein System finden, das Menschen davor bewahrt, sich selbst oder der Natur bzw. der Welt zu schaden. Wir brauchen ein Umdenken im Sinne des „Buen Vivir“ Konzepts oder der „Just Transition“ Bewegungder indigenen Völker Südamerikas. Sie haben die Natur sogar als juristische Person in die Verfassung aufgenommen (zum Beispiel in Bolivien) und verbinden ein Leben im Einklang mit der Natur mit solidarischem Wirtschaften und einer Veränderung im Politikstil. Wir brauchen den globalen Wandel in Richtung Frieden, Gleichheit, Gerechtigkeit, ökologischem Gleichgewicht und Wohlbefinden!

Keine Lückenflickerei wie das sogenannte „Klima-Konzept“ der Groko, das Oliver Welke passend so zusammenfasste: „auf Inlandsflügen sind Ölheizungen verboten, es sei denn man kaufe für 360€ eine Plastiktüte“. – Voll Planlos!

Eine riesige Menge meist jüngerer Leute zwischen zwei Reihen hoher Platanen.

#AlleFürsKlima, Hohenzollernring, Köln, 20.9.2019. Foto: Stefanie Intveen

Wir brauchen für die Rettung des Lebensraums Erde ein Ende der Verschleuderung von Steuermilliarden für Rüstung und Krieg. Keine weitere Energie darf für die Bedrohung und Zerstörung von Menschen und Natur durch Militär verschwendet werden. Die Friedens- und die Umweltbewegung können das nur gemeinsam erreichen, indem wir alle mit dem gleichen Interesse an unserer Zukunft mitnehmen. Eine ernsthafte Umwelt- und Klimadebatte um drastische CO2-Reduzierungen ist ohne den militärischen CO2-Ausstoß unvollständig. Wir brauchen einen umfassenden Abrüstungsprozess, die Kürzung des Militäretats und den Stopp derProduktion von Kriegswaffen. Das bedeutet auch für die EU: keine Militarisierung, sondern Festschreiben auf einen zivilen Charakter sowie keine weitereausbeuterische Handelspolitik, die Kriege, Armut und Flucht verursacht.

Wir brauchen einen Klimaschutz, der bei denen ansetzt, die für die Klimakatastrophe tatsächlich verantwortlich sind. Wir sind die 99%, zusammen können wir das System verändern.

Diese Welt gehört nicht den Armeen und Konzernen, diese Welt gehört allen Wesen, die darin leben! Diese Welt gehört uns!


Isabelle Casel ist eine der Sprecher*innen der DFG-VK Gruppe Köln. Sie engagiert sich außerdem in der AG Frieden und Internationale Politik im Kreisverband Köln der Partei Die Linke. 

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Eine Antwort

  1. willi uebelherr sagt:

    Meinen grossen Dank an dich, liebe Isabelle, fuer diese hervorragende Rede in Koeln.
    mit lieben gruessen an alle, willi
    Asuncion, Paraguay
    willi.uebelherr@gmx.de

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