Rainer Maria Kardinal Woelki (Köln) zur Aufrüstung der Atomwaffen: „Wo bleibt der Aufschrei?“

Von Stefanie Intveen, 14.8.2020. Der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, kritisiert in seiner heutigen Kolumne in der Rheinischen Post die laufende Aufrüstung der Atomwaffen und fordert – 75 Jahre nach der Zerstörung der beiden japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch zwei US-Atombomben – mehr Engagement dagegen:

Die Menschen, die die Folgen der Bomben erlebt haben, werden das Ende der schlimmsten Waffe der Welt nicht mehr erleben. Das betrübt mich besonders. Wo bleibt der Aufschrei?

Er erinnerte an die Kritik von Papst Franziskus, der die Rüstungsausgaben, besonders das Festhalten an Atomwaffen als „himmelschreiende“ Vergeudung angesichts weltweiter Armut gegeißelt habe.

Das Konzept einer Friedenssicherung durch militärische Abschreckung will Kardinal Woelki nicht gänzlich verwerfen, betont aber die Notwendigkeit von Annäherung und Zusammenarbeit:

Noch immer leben wir in der falschen Annahme, Stabilität und Frieden in der Welt hingen allein von Angst und atomarer Abschreckung ab. Doch das ist das Gegenteil von Annäherung. Gerade jetzt, in der Pandemie, erleben wir, wie eng wir Menschen miteinander verbunden sind, wie viel Zusammenarbeit wir brauchen, um zu überleben. Mit militärischer Abschreckung allein kommen wir da nicht weiter.

In der Atomwaffenpolitik fordert er von der Bundesregierung, ihrer selbst erklärten Verantwortung gerecht zu werden:

Wir müssen uns das Ausmaß [der Zerstörung durch die zwei Atombombenabwürfe] immer wieder bewusst machen, um zu verstehen, wie wenig bis heute erreicht wurde – trotz vieler Bekundungen. Außenminister Heiko Maas etwa schrieb noch vor Kurzem: „Wir haben eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass sich solches Leid niemals wiederholt!“ Aber warum werden wir unserer Verantwortung dann nicht gerecht?

Ein feierlich hell gekleideter Priester mit roter Kopfbedeckung redet an einem Pult. Im Vordergrund die ihm zugewandten Köpfe und Schultern von Männern in Uniformen, die in Bänken sitzen. Im Hintergrund die riesigen Säulen und Fenster eines gotischen Doms und eine weihnachtlich geschmückte Fichte.

Rainer Maria Kardinal Woelki beim Internationalen Soldatengottesdienst am 16.1.2020 im Kölner Dom. Foto: Stefanie Intveen

Es ist zu hoffen, dass die Fragen von Kardinal Woelki in Berlin gehört werden und das Wahnsinnsprojekt von Bundesministerin Annegret Kramp-Karrenbauer rechtzeitig gestoppt wird: die Bundesregierung will der Bundeswehr für Milliarden Euro neue Flugzeuge kaufen, damit deutsche Soldaten US-Atombomben über anderen Ländern abwerfen können. Um das zu verhindern und die deutsche Sicherheitspolitik zu zivilisieren, sind viele Stimmen aus der Gesellschaft notwendig.

Erfreulicherweise werden solche Stimmen aus der katholischen und der evangelischen Kirche lauter. Ein Beispiel dafür ist die Hilfe, die die Internationale Öffentliche Fastenaktion erhielt, mit der Pfr. Dr. Matthias-W. Engelke und seine Mitstreiter*innen jedes Jahr einen Tag länger der Opfer der Atombombenabwürfe gedenken „bis zum Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland“. Die Aktion fand in diesem Jahr in Gau-Algesheim und Mainz statt und wurde sowohl durch den katholischen Bischof von Mainz, Peter Kohlgraf, als auch durch den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, tatkräftig unterstützt.

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