Bernd Hahnfeld zum Atomwaffenverbotsvertrag: „Das Völkerrecht kennt keine ’symbolischen‘ Verträge!“

Ansprache auf dem Alter Markt vor dem Rathaus der Stadt Köln zum Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags am 22.1.2021.


Mein Name ist Bernd Hahnfeld. Ich bin 81 Jahre alt und lebe seit 16 Jahren in Köln. In meinem Berufsleben war ich Richter in Hamburg. Seit 40 Jahren bin ich im Widerstand gegen Atomwaffen aktiv.

„Symbolisch“ nennen die großen Medien den Vertrag! Wie verblendet sind die Tagesschau, die FAZ, die Zeit, der Guardian und die anderen eigentlich? Das Völkerrecht kennt keine „symbolischen“ Verträge! Ab heute verbieten weltweit bereits 51 Staaten in ihren Gewässern und Häfen atomwaffentragende Schiffe. Sie verbieten atomwaffentragende Flugzeuge über ihren Hoheitsgebieten. Sie verbieten den Handel und die Kreditwirtschaft mit Unternehmen, die Produktionen von Atomwaffen fördern. Das schränkt die militärische und wirtschaftliche Bewegungsfreiheit der Atomwaffenstaaten deutlich ein!

Mit dem heutigen Tage tritt der internationale Atomwaffenverbotsvertrag in  Kraft, nachdem der 50. Staat diesen Vertrag ratifiziert und die Ratifizierungsurkunde bei den Vereinten Nationen hinterlegt hat. Weitere Staaten werden folgen. Denn Vertreter von 122 Nationen haben am 7. Juli 2017 bei der UN den Atomwaffenverbotsvertrag verabschiedet. Unterzeichnet haben bereits 86 Staaten.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist ein regulärer völkerrechtlicher Vertrag, der nach den Regeln der internationalen Wiener Vertragskonvention auszulegen und zu beachten ist. Er gilt zunächst nur unter den Vertragsstaaten. Aber er ist ein großer Schritt auf dem Weg zu einem schriftlich fixierten, allgemein verbindlichen völkerrechtlichen Abkommen über die Ächtung von Atomwaffen.

Friedensbewegung Köln feiert: Atomwaffenverbotsvertrag am 22.1.2021 in Kraft. Richter a. D. Bernd Hahnfeld (IALANA) spricht auf dem Alter Markt, Köln. Foto: Martin Bauer (R-mediabase)

Gewohnheitsrechtlich verbietet das Völkerrecht bereits seit vielen Jahrzehnten den Einsatz von Atomwaffen und die Drohung damit. Das hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag in seinem Gutachten vom 8. Juli 1996 festgestellt. Das Rechtsgutachten ist auf Ersuchen der UN-Generalversammlung erstattet worden. Aus diesem Gutachten ergibt sich eindeutig, dass Staaten sich auch in extremen Notwehrsituation nicht mit allen Waffen verteidigen dürfen. Verboten ist der Einsatz von Waffen, wenn er gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen würde. Das ist bei allen Atomwaffen der Fall. Denn: Sie verursachen unnötige Leiden, unterscheiden nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten und ziehen unbeteiligte Staaten in Mitleidenschaft. Der Internationale Gerichtshof hat diese Grundsätze als allgemeines Völkergewohnheitsrecht anerkannt – sie sind für alle Staaten verbindlich.

Das Dilemma ist, dass die Regierungen der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten permanent gegen dieses Recht versstoßen. Zwar könnte der Sicherheitsrat Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht wegen Friedensgefährdung mit Sanktionen belegen. Die fünf Veto-Mächte im Sicherheitsrat sind jedoch alle Atomwaffenstaaten und wollen das auch bleiben. Seit Jahrzehnten ächtet die große Mehrheit aller Staaten in der UN-Generalversammlung mit zahlreichen Resolutionen Atomwaffen und fordert ihre Abrüstung. Dennoch lehnen die Atomwaffenstaaten jede substantielle atomare Abrüstung ab.

Der heute in Kraft tretende Atomwaffenverbotsvertrag formuliert umfassende Verbote und Abrüstungsverpflichtungen für alle Staaten, die den Vertrag ratifiziert haben. Der Vertrag setzt das geltende humanitäre Völkerrecht in konkrete Regeln um. Er verstärkt die Verpflichtung zur vollständigen atomaren Abrüstung der Mitgliedsstaaten des Nichtverbreitungsvertrages (NPT). Diese Abrüstungspflicht gilt gewohnheitsrechtlich für alle Staaten. Die Atomwaffenstaaten verletzen sie seit Jahrzehnten ungestraft.

Der Atomwaffenverbotsvertrag schafft zwar noch kein allgemein verbindliches Völkerrecht, weil er zunächst nur unter den Vertragsstaaten gilt. Sein Inkrafttreten wird aber mehr bewirken als die wiederholten dringenden Appelle der Nichtatomwaffenstaaten in der UN-Generalversammlung. Denn den Regierungen der Atomwaffenstaaten und ihrer Verbündeten wird es künftig schwer fallen ihre Atomwaffenstrategien vor der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen.

Die Modernisierung der in der Eifel stationierten US-amerikanischen Atomwaffen und die bevorstehende Entscheidung über die Neuanschaffung von deutschen Trägerflugzeugen haben angesichts der zugespitzten Sicherheitslage IALANA zu einem Appell an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel veranlasst. Wir fordern die Bundesregierung auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, die nukleare Teilhabe zu beenden und den Erwerb neuer Trägerflugzeuge aufzugeben. Zahlreiche Prominente und Juristen unterstützen den Appell. Wir würden uns freuen, wenn auch politische Repräsentanten der MAYORS FOR PEACE den Aufruf unterzeichnen würden und bitten Frau Dr. Reker, das auch zu tun.

Die Lage ist ernst. Die Internationalen Spannungen insbesondere zwischen dem Westen und Russland nehmen dramatisch zu. Erst vor wenigen Monaten, im Oktober 2020, haben Bundeswehrsoldaten bei dem europaweiten Manöver Steadfast Noon den Atomkrieg geprobt. Dabei ging es um den Einsatz der 46 Tornado-Flugzeuge des taktischen Luftwaffengeschwaders 33 der Bundeswehr in Büchel. Geübt wurde nach einem Bericht der FAZ aus dem NATO-Hauptquartier in Brüssel der Einsatz von Atomwaffen gegen Ziele in Russland. Das ist ein lebensgefährliches Spiel. So werden  militärische Spannungen aufgebaut anstatt der notwendigen politischen Verständigung – wie sie von der großen Mehrheit der Bundesbürger gewünscht wird. Art. 2 Abs. 3 UN-Charta verpflichtet alle Staaten, ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so beizulegen, dass der Weltfriede und die internationale Sicherheit nicht gefährdet werden. Das gilt auch für Deutschland.

Heute wollen wir den Atomwaffenverbotsvertrag feiern. Er krönt den jahrzehntelangen Widerstand gegen die wahnwitzige Atomwaffenrüstung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


Bernd Hahnfeld ist Richter i. R. und Vorstandsmitglied der IALANA – Vereinigung für Friedensrecht. Wir bedanken uns herzlich für die Rede und die Möglichkeit, sie hier zu veröffentlichen!

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