„Ein Waffenstillstand und ein gerechter Frieden in Nahost sind jetzt geboten“

Wir dokumentieren hier die Rede eines Vertreters der Palästinensischen Gemeinde Köln beim Ostermarsch am 30.03.2024 in Köln:


Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Ein älterer Mann mit grauem Haarkranz und Brille spricht in ein Mikro. Eine Frau mit grauen Locken schaut ihm ernst von hinten zu.

Vertreter der Palästinensischen Gemeinde beim Ostermarsch, Roncalliplatz, Köln, 30.3.2024. Foto: Stefanie Intveen

das Leid und Töten im Nahen Osten muss sofort enden. Jeder Tote, egal auf welcher Seite, ist einer zu viel. Die Bundesregierung muss sich endlich für einen sofortigen
Waffenstillstand einsetzen. Alle Geiseln der Hamas und alle palästinensischen Gefangenen in Israel müssen umgehend ihre Freiheit erlangen. Die mörderische Blockade von Gaza, die israelische Besetzung der Westbank müssen enden, damit alle Menschen zwischen dem Meer und den Fluss in Würde und Frieden leben können.

Jedes Jahr am 30.März erinnert sich das palästinensische Volk an dem Tag wo 6 palästinensische Jugendliche, die von der israelischen Armee, bei der Verteidigung ihres Landes gegen die Anexion erschossen wurden.

Dieser unvergessene Tag bestätigt nochmal, dass das Palästinensische Volk nicht bereit ist auf sein Land und seine Rechte zu verzichten.

Es wiederholt sich jetzt in Gaza, wo die israelische Armee die Palästinenser aus ihrem Land vertreiben möchte.

Seit 6 Monaten versucht die israelische Armee mit seiner Tötungsmaschinerie das palästinensischen Volkes in zu brechen.

Der israelische Genozid in Gaza geht unvermindert weiter. Millionen von Menschen droht die Vernichtung durch den israelischen Krieg und die Belagerung. Die menschenverachtende Blockade der Hilfslieferungen durch Israel führt zu akutem Hunger, Krankheiten und katastrophalen Lage.

Wenn es eine Hölle auf Erden gibt, dann ist es der nördliche Gazastreifen“, dies sagte der Sprecher des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten Jens Laerke schon vor Monaten.  Seitdem ist es noch viel schlimmer geworden. Systematisch bombardiert die israelische Armee jede lebensnotwendige Infrastruktur in Gaza. Es gibt keine medizinische Versorgung mehr, kein Wasser, keinen Strom, keinen Treibstoff, keine sanitären Anlagen, keine ausreichenden Lebensmittel.

Egal ob Krankenhäuser, Moscheen, Schulen, Kindergärten, Wasserversorgung, Flüchtlingslager oder Einrichtungen der Vereinten Nationen, alles wird systematisch mit einem Bombenteppich überzogen.

Bis heute sind mindestens 35000 Menschen getötet worden, 70% davon sind Kinder und Frauen. 1,9 Millionen Menschen wurden seit dem 7. Oktober aus ihren Wohnungen vertrieben, ihre Häuser sind zerstört, sie wohnen in Zelten.

Die israelische Regierung ist fest entschlossen, die Massaker an der Bevölkerung des Gazastreifens ungeachtet aller internationalen Proteste fortzusetzen.

Sie hat aus der Absicht nie einen Hehl gemacht, die palästinensische Bevölkerung nun endgültig aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Das Knesset-Mitglied Ariel Kallner von der Likud-Partei erklärte schon am 8. Oktober  deutlich: „Genau jetzt ist die Zeit für ein Ziel: Nakba. Eine Nakba, die die Nakba von 1948 in den Schatten stellen wird.“ Avi Dichter, Mitglied des israelischen Sicherheitskabinetts bekräftigte: „Wir führen jetzt die Gaza-Nakba durch!“

Auch im Westjordanland verstärkt die israelische Armee ihre Tötungs- und Vertreibungsstrategie. Seit dem 7. Oktober wurden dort mehr als 450 Menschen getötet, vor allem Jugendliche, mehr als 7800 verhaftet. tagtäglich terrorisieren bewaffnete Siedler die palästinensische Bevölkerung unter dem Schutz der Armee.

An diesen Ostermarschtagen, geht die massive Enteignungen palästinensischen Bodens weiter. Es werden alle möglichen Gesetze und Erlässe beschlossen, um mehr Land zu vereinnahmen.

Das heutige Gedenken am Tag des Bodens stellt ein wichtiges Ereignis in unserer kollektiven Erzählung dar. Er steht für Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen innerhalb wie außerhalb Palästinas sowie für Zehntausende von Toten und Gefangenen, das Gedenken steht für das uneingelöste Recht der Palästinenser auf einen palästinensischen Staat.

Alle Versuche, die palästinensische Geschichte auszulöschen, zu verfälschen und zu vertuschen sind zum Scheitern verurteilt.

Wir widersetzen uns den Behauptungen, dass die Alten sterben und die Jungen die Nakba, die massenhafte Vertreibung von Palästinensern im Jahr 1948 vergessen würden. Jetzt sind die Jungen selbst alt, aber sie und ihre Kinder haben die Nakba immer noch nicht vergessen.

Sie sind diejenigen, die nun gefoltert, getötet und verstümmelt werden, aber sie geben das Recht auf einen palästinensischen Staat nicht auf.

Das gnadenlose Zerstören und Töten in Gaza macht die ganze Tragödie eines nun 75 Jahre dauernden unausgesprochenen Krieges in Palästina sichtbar. Die israelische Besatzung, die Apartheid und die Vertreibung – sowie die Komplizenschaft der USA und der meisten europäischen Staaten bei dieser Unterdrückung – sind die Ursachen all dieser Gewalt.

Diese Komplizenschaft setzt sich auch nach der Resolution des UN-Sicherheitsrates vom Montag dieser Woche für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza während des Ramadans fort.

Gleich nach Beschluss des Sicherheitsrates erklärte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby: „Es handelt sich um eine nicht bindende Resolution, die keinerlei Auswirkungen auf Israel und dessen Fähigkeit hat, weiterhin gegen die Hamas vorzugehen. Israel ist für uns nach wie vor ein enger Verbündeter und ein Freund“. Skrupellos treten die USA das Völkerrecht mit Füßen.

Auch die deutsche Regierung steht weiterhin uneingeschränkt an der Seite Israels, wie Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock betonen. Sie verhindern mit aller Macht einen Aufruf der EU zu einem dauerhaften Waffenstillstand in Gaza. Die deutsche Regierung gibt damit gewissenlos grünes Licht für das Massaker der israelischen Armee. Durch Waffenlieferungen und die Streichung der zugesagten Finanzierung für das UNHilfswerk UNRWA macht sich die Bundesregierung mitschuldig am Verhungern und Verbluten der Menschen in Gaza!

  • Wir fordern einen sofortigen Stopp der Bombardierungen und einen sofortigen Waffenstillstand.
  • Die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens und ein Ende jeglicher Unterstützung des Krieges gegen die Palästinenser!
  • Deutschland und die EU müssen Israel dazu bewegen, das Recht des palästinensischen Volkes auf Rückkehr in seine Heimat und seine Selbstbestimmung anzuerkennen und die
    Resolutionen der Vereinten Nationen zu akzeptieren!
  • Das international verbriefte Recht des palästinensischen Volkes auf einen unabhängigen souveränen Staat mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und das Recht auf Rückkehr der
    palästinensischen Flüchtlinge in ihre Heimat muss von der deutschen Regierung anerkannt und unterstützt werden.

Der Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu schrieb 2014 in einem Artikel für die israelische Zeitung Haaretz, und ich möchte daraus zitieren:

„Wir sind gegen die Ungerechtigkeit der illegalen Besetzung von Palästina. Wir sind gegen das willkürliche Morden im Gazastreifen. Wir sind gegen die Erniedrigung von Palästinensern an Kontrollpunkten und Straßensperren. Wir sind gegen die von allen Beteiligten begangenen Gewalttaten. Aber wir sind nicht gegen Juden. (…) Es wird immer deutlicher, dass Politiker und Diplomaten einfach keine Anworten finden und dass die Verantwortung, eine nachhaltige Lösung für die Krise im Heiligen Land zu erarbeiten, bei der Zivilgesellschaft und den Bewohnern Israels und Palästinas selber liegt.

Abgesehen von der jüngsten Verwüstung im Gazastreifen sind anständige Menschen überall – darunter auch viele in Israel – zutiefst verstört von der Tatsache, dass täglich die Menschenwürde und die Bewegungsfreiheit der Palästinenser an Kontrollpunkten und Straßensperren verletzt wird.

 (….) Am Ende setzt sich das Gute durch. Das Streben danach, die Menschen in Palästina von der Demütigung und Verfolgung durch die Politik Israels zu befreien, ist ein gerechtes Anliegen. (…)

Von Nelson Mandela stammt der berühmte Ausspruch, die Südafrikaner würden sich nicht frei fühlen, bis auch die Palästinenser frei sind. Er hätte ebenfalls hinzufügen können, dass die Befreiung Palästinas auch Israel befreien wird.“

Frieden ist nicht gegeneinander, sondern nur miteinander möglich. Ein Waffenstillstand und ein gerechter Frieden in Nahost sind jetzt geboten. Für gleiche Rechte, Frieden und Würde für alle Menschen vom Fluß bis zum Meer.

Wir dürfen zum Unrecht nicht schweigen, damit endlich die Waffen schweigen.

Köln, den 30.03.2024

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