Antikriegstag/Friedensparade in Köln: Augenzeugen schildern Polizeigewalt

Am Samstag wurde der friedliche Protest gegen Aufrüstung und die Wiedereinführung des Wehrdienstes massiv durch Polizeigewalt behindert. Der Beginn des Demonstrationszugs wurde von der Polizei wiederholt verzögert. Auch nach dem Start wurde der Aufzug bereits nach wenigen hundert Metern wegen angeblicher Verstöße erneut gestoppt. Anschließend setzte er sich in Richtung Rhein in Bewegung. Dort zündeten einige Demonstrierende Pyrotechnik, woraufhin es zu Rangeleien kam. Dies diente offenbar als willkommener Anlass, um in der Mechthildisstraße Teile der Demonstrierenden ohne erkennbaren Grund mit Schlagstöcken und Pfefferspray anzugreifen und anschließend unter massiver Gewaltanwendung einzukesseln.

Die Eingekesselten wurden bis zu elf Stunden festgehalten. Die medizinische Versorgung von Verletzten wurde behindert, zudem standen nur unzureichend Wasser und sanitäre Einrichtungen zur Verfügung.

Warum diese Polizeigewalt? Widerstand und Protest gegen Aufrüstung und Wehrdienst stören das Ziel der „Kriegstüchtigkeit“. Ein kriegstüchtiges Land protestiert nicht – es gehorcht. Freiheit und Krieg schließen sich aus.

Schon im Vorfeld war das erfolgreiche Camp Rheinmetall Entwaffnen der Polizei ein Dorn im Auge. Das angestrebte Verbot wurde vom Gericht aufgehoben. Durch Workshops und inspirierende Aktionen gegen die Militarisierung war das Camp zu erfolgreich, um ignoriert zu werden.

Die Polizeigewalt am Samstag sollte provozieren und das Camp in der Öffentlichkeit als gewalttätig brandmarken. Wir dokumentieren hier Augenzeugenberichte, die klarstellen: Die Gewalt ging von der Polizei aus.

Die DFG-VK Köln protestiert entschieden gegen den gewaltsamen Angriff der Polizei auf die Friedensparade und die Demonstration zum Antikriegstag. Wir fordern eine lückenlose Aufklärung darüber, wer für diesen massiven Angriff auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit verantwortlich ist.

Bericht vom Angela Stenzel, Dr. Martin Stenzel

Polizei bei der Friedensparade am 30.8.2025 in Köln

Polizei bei der Friedensparade am 30.8.2025 in Köln

Am 30. August 2025 waren meine Frau und ich Teil des Demonstrationszuges „Antikriegstag“ in Köln.

Dieser startete vom Heumarkt und führte unter anderem über den Holzmarkt. Der Demozug wurde von Seiten der Polizei wiederholt, teils für bis zu 20 Minuten festgesetzt. Es kam zu einer erheblichen Verzögerung der Veranstaltung.

In der Mechtildisstraße, wurde der Zug von Seiten der Polizei dann komplett gestoppt. Es erfolgte zunächst eine Abriegelung in Richtung „Im Sionsstal“ wie auch zum „Im Weichserhof“, danach auch zur anderen Seite „Holzmarkt/Bayenstraße“.

In der Mechtildisstraße demonstrierten neben Mitgliedern der Gruppe „Rheinmetall entwaffnen“, und der Freien Deutschen Jugend, auch andere progressive Gruppen aus der Friedensbewegung, zum Beispiel meine Person, Teil der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Verband der Kriegsdienstverweiger.Innen) Köln und der Regionalgruppe Köln der IPPNW (Internationale Ärzt.Innen für die Verhütung des Atomkriegs). Aus persönlichen Gesprächen wurde ersichtlich, dass auch andere Zivilpersonen, nicht organisiert, sich am Demonstrationszug in der Mechtildisstraße beteiligten.

Über die Zeit wurde die Polizeipräsenz in der Mechtildisstraße verstärkt.

Korrekt ist, dass die Polizei das Verteilen von Wasser an die Teilnehmer.Innen zugelassen hat. Allerdings hat sie sich nicht aktiv an der Wasserverteilung beteiligt bzw. Verantwortung für das Vorhandensein von Wasser getragen – die Polizei hat die Verteilung von Wasser an die Demonstrierenden lediglich geduldet.

Korrekt ist auch, dass Sanitäter.Innen im Einsatz waren.

Nicht korrekt ist, dass es sanitäre mobile Einrichtungen gab. Ich selber war Teil einer Sichtschutzmauer (durch meine eigene Person), so dass Teilnehmerinnen – geschützt vor Voyeurismus – urinieren konnten. Es gab ein anderes Provisorium für die männlichen Personen, die hinter einer Alufolienwärmedecke in die Häuserecke urinieren konnten.

Besonders kritisch ist allerdings anzumerken, dass ein Verlassen der Mechtildisstraße um 20.37 Uhr ohne Vorkommnisse für meine Frau und mich nicht möglich war.

Es wurde zwar von Seiten der Polizei dazu aufgerufen, die Straße zu verlassen, allerdings hat uns eine Person der Polizei auf Seite Holzmarkt/Bayenstraße durch physische Präsenz daran gehindert – mit den Worten „sie habe keine Entscheidungsgewalt, es müsse gewartet werden“. Das folgt keiner Logik. Wenn die Personen aus eigenen Stücken den Versammlungsort verlassen möchten, dann muss das auch möglich sein.

Für die Versammlungsteilnehmer.Innen direkt auf der Straße (nicht Bürgersteig) war es überhaupt nicht möglich, die Mechtildisstraße noch zu verlassen, sie waren „eingekesselt“ (Verletzung Artikel 1 Grundgesetz).

Nicht zuletzt darf erwähnt werden, dass meine Frau einer weiteren Demonstrationsteilnehmerin beistehen wollte (diese durch die Polizei bedrängt), meine Frau allerdings nach verbaler Auseinandersetzung von einem Polizeibeamten hart, in beide Oberarme gekniffen, und abgedrängt wurde. Von Seiten der Polizei wurde somit auf physische Gewalt zurückgegriffen, das wird von unserer Seite aus zutiefst verurteilt. In unserem unmittelbaren Umfeld erlebten wir zu keinem Zeitpunkt physische Gewalt der Demonstrierenden gegenüber Polizeibeamt.Innen.

Nicht zuletzt als Arzt darf ich Ihnen mitteilen, dass ich gestern bei den Demonstrierenden in viele verunsicherte, verängstigte und verzweifelte Gesichter gesehen habe. Teilnehmer.Innen sind teilweise kollabiert. Eine psychotherapeutische Betreuung gab es für diese Teilnehmer.Innen vor Ort ganz sicher nicht, auch das verurteilen wir zutiefst!

Ich selbst sollte eine Rede auf dem Chlodwigplatz mit dem Thema „Verhältnis von medizinischer Gesundheits- und Krankenversorgung und Militär unter Berücksichtigung der Entwicklungen des letzten Jahres“ halten. Durch das Festsetzen durch die Polizeimitarbeiter.Innen war es mir nicht möglich, meinen aktiven Beitrag zum Antikriegstag zu leisten. Ich konnte mein Demonstrationsrecht am Chlodwigplatz nicht wahrnehmen (Verletzung Artikel 8 Grundgesetz).

Video belegt Angriff der Polizei

Ein Anwohner filmte aus seiner Wohnung

Hildegard Achilles berichtet:

Wir wurden wir erst mal ca 20 bis 30 Minuten wegen angeblicher Verstöße gestoppt. Dann ging es weiter zum Rhein, da haben einige Demonstranten Pyrotechnik gezündet. Nach kurzem Stopp ging es dann weiter und in der sehr engen Mechthildisstraße wurden dann die Leute eingekesselt. Das geschah wenige Meter hinter uns (Thespina, Harald, Birgit und ich). Wir haben vorher keine Gewalt von anderen Demonstranten bemerkt. Die Polizei hat sich völlig unvermittelt in die Demo geknüppelt. Sanitäre Anlagen gab es so lange ich da war ( bis ca 8:45) gar nicht, Wasser wurde nur von anderen Demonstranten aus einem Supermarkt in der Severinstraße herbeigeschafft. Außerdem gab es Wasser von Anwohnern.

Harald Fuchs schildert:

Wie in den Jahren zuvor auch, wurde zu Beginn der Demonstration eine Auftaktkundgebung mit Redebeiträgen und Musik zur Thematik der Erinnerung an den Beginn des 2. Weltkrieges durchgeführt. Der Start des Demonstrationszuges wurde aber dann geraume Zeit von der Polizei unter fadenscheinigen Vorwänden gestoppt. Die Demonstrantinnen wurden von einem Polizeilautsprecher beschallt, und es wurde mitgeteilt, es würden Eisenstangen im Demonstrationszug mitgeführt. Ich konnte aber nirgends im Demonstrationszug Eisenstangen sehen, nur Plastik und Holz. Angesprochene Polizisten konnten auch die Frage nicht beantworten, wo denn die angeblichen Eisenstangen seien. Unter ähnlich fadenscheinigen Vorwänden hat die Polizei immer wieder den Demonstrationszug gestoppt und dann schließlich dauerhaft an der Ecke An St. Katharinen/Achterstr. festgesetzt. Dort griff die vermummte Polizei dann einzelne Demonstranten heraus, aus für mich undurchsichtigen Gründen. Einen Verstoß, z. B. gegen das Vermummungsverbot, habe ich nicht gesehen, wohingegen die Polizisten vermummt und in martialischem Aufzug auftraten. Ich habe sehr deutlich gesehen, wie ein einzelner Polizist einen einzelnen Demonstranten aus der Demonstration unter Gewaltanwendung herauszog, an eine Wand drückte und sehr aggressiv übel behandelte. Der festgesetzte Demonstrant wurde dann von anderen Demonstranten gegriffen und erfolgreich von dem Polizisten weggezogen. Der einzelne Polizist wurde aber von den zahlreichen ihn umgebenden Demonstranten nicht direkt angegriffen und konnte sich unverletzt zur Gruppe der Polizisten zurückziehen. Unerfreulich und überflüssig fand ich, dass nach längerer Blockade der Demo durch die Polizei von einem der Lautsprecherwagen Bengalos mit farbigem Rauch gezündet wurden. Es kam zwar dadurch keine Person zu Schaden, aber der Eindruck einer Friedensdemonstration wurde deutlich gestört, und es wurden Bilder geliefert, die in der Propaganda der Kriegsertüchtiger als nützlicher Beleg für eine unfriedliche Demonstration benutzt werden können. Ich habe vorher in über 50 Jahren politischer Friedensarbeit nie erlebt, dass in einer Friedensdemonstration Bengalos gezündet wurden. Das kenne ich eher von Fußballfans. Man muss aber sagen, dass die Polizei sehr viel getan hat, die Demonstranten zu provozieren, und trotzdem habe ich keinerlei Angriffe auf Polizisten von Seiten der Demonstrantinnen beobachtet.

Etwa 10 Minuten, nachdem die Bengalos gezündet worden waren, bin ich mit meiner behinderten Frau von der Demonstration weggegangen und zum Chlodwigplatz gelaufen. Leider fand die Abschlusskundgebung dort nicht wie geplant statt, obwohl dort eine Bühne und Musikanlage aufgebaut waren. Es fand ein improvisiertes Programm statt, aber das mit viel Mühe vorbereitete Programm konnte nicht stattfinden, weil Redner und Künstler solidarisch mit den inzwischen von der Polizei eingekesselten Demonstrant*innen vor Ort blieben. Z. B. war ich als einziger Sänger unseres Chores am Chlodwigplatz, während die anderen Chormitglieder beim Polizeikessel geblieben waren.

Auch bedauerlich ist es, dass in der Berichterstattung teilweise unterschlagen wird, dass die Demonstration eine gemeinsame Aktion des Kölner Friedensforums und des Camps „Rheinmetall entwaffnen“ war und der Anlass „Jahrestag des Beginns des 2. Weltkrieges“ ausgeblendet bleibt.

Hier noch ein Link zu einem weiteren Augenzeugenbericht:

nachdenken-in-koeln.de/friedensdemonstranten-niederknueppeln

Eine Antwort

  1. 4. September 2025

    […] Bilder und Infos, die einen Eindruck von dem Geschehen vermitteln. Beim Gewerkschaftsforum und der DFG-VK Kn (selbst unter den Veranstaltern) finden sich inzwischen Augenzeugenberichte u.a. auch das […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

×