Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus, nie wieder brennende Bücher! – Peter Förster zum 85. Jahrestag der Bücherverbrennung

Anlässlich des 85. Jahrestages der Bücherverbrennung durch die Faschisten fand am Donnerstag, den 17. Mai 2018 auf dem Albertus-Magnus-Platz vor dem Hauptgebäude der Uni Köln eine öffentliche Lesung statt. Wir dokumentieren die Rede von Peter Förster für den Arbeitskreis Zivilklausel an der Universität zu Köln.

Die Liste der vorgetragenen Texte findet sich am Schluss.


Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab:
Emigranten.
Das heißt doch Auswandrer. Aber wir
Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluss
Wählend ein andres Land. Wanderten wir doch auch nicht
Ein in ein Land, dort zu bleiben, womöglich für immer
Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte.

Bertolt Brecht, „Über die Bezeichnung Emigranten“, 1937

Liebe Mitstreiter und Mitleser, Zuhörer und Zuschauer, 

nochmal an alle vielen Dank für die Beteiligung an den Lesungen zum Jahrestag der Bücherverbrennung! Ihr findet unten eine (leider nicht ganz vollständige) Zusammenstellung der vorgetragenen Texte von diesem Jahr.

Eine Schwarz-Weiß-Aufnahme zeigt einen uniformierten Mann von hinten. Er wirft gerade ein Buch in das vor ihm brennende Feuer.

SA-Mitglied bei der öffentlichen Verbrennung „undeutscher“ Bücher am 10. Mai 1933, Opernplatz in Berlin. Foto: n.b. United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives and and Records Administration, College Park

Wir haben diese Lesungen in Köln als Arbeitskreis Zivilklausel vor fünf Jahren am 80. Jahrestag der Büchverbrennung intiiert, 2013. Die Lesungen haben wir damals unter das Motto des in diesem Jahr verstorbenen Widerstandskämpfers und Antifaschisten Martin Löwenberg „Mit den Waffen des Geistes gegen den Geist der Waffen“ gestellt. 2013 war der hoffnungsvolle arabische Frühling bereits an vielen Orten in einen von außen befeuerten, andauernden Krieg abgeglitten, indem massenhaft Menschen aus ihren Häusern vertrieben wurden.

Das war auch der Beginn der bemerkenswerten Welle von Flüchtlingssolidarität, die eine konservative Kanzlerin und Regierung zur zeitweiligen Öffnung der Grenzen bewegt hat. Damals gründete sich unter Führung von Bernd Lucke die AfD, die mit geistiger Brandstiftung den Nährboden legt für brennende Asylbewerberheime. Die Lesungen in diesem Jahren waren auch vom Nein zum Krieg und einem empathischen, anderen Blickwinkel auf Flucht und Exil und dem Plädoyer für eine humanistisch begründete Urteilsfähigkeit geprägt.

Auch die Universität Köln hat sich in dieser Zeit entwickelt und mit neuem Selbstbewusstsein in die Geschichte eingegriffen: 2014 ist es gelungen, dass sich die Universität Köln dem Frieden verpflichtet hat. Wesentlich auf Engagement aus der Hochschule heraus geht zurück, dass Sharo Garip, in der Türkei verfolgter Wissenschaftler für den Frieden zurück nach Deutschland kommen konnte. Sharo war dieses Mal auch bei den Lesungen dabei. Die Universität hat sich bemüht, sich für Geflüchtete zu öffnen und ist nun mit ihrer Positionierung für eine weltoffene Universität und gegen die geplanten Studiengebühren für Menschen von außerhalb der Europäischen Union Alternative zur national-vebrämten Politik der Landesregierung.

Vor diesem Hintergrund waren die antifaschistischen Lesungen auch in diesem Jahr ein Erinnern „nach vorne“. Sie sind ein Beitrag dazu, dass an der Universität aus der Geschichte Konsequenzen gezogen werden für engagiertes Eingreifen gegen Rechts und für ein solidarisches Zusammenleben. Erfreulich waren auch in diesem Jahr das Zusammentreffen von Universität und Stadtgesellschaft, das Neu-Kennenlernen, von Texten wie von Kommilitonen, Lehrenden, Mitstreitern.

Im nächsten Jahr werden die Lesungen stattfinden im Jahr des hundertjährigen „Jubiläum“ der nach dem 1. Weltkrieg neugegründeten Universität – ein zusätzlicher Anlass zur Reflexion der Indienstnahme der Universität für menschenverachtende Interessen wie auch für Widerständigkeit, die es auch gegeben hat. Sonst hätten aus den Bibliotheken nicht massenhaft Bücher entfernt und verbrannt werden müssen. (Bei der Lesung wurden Goswin Frenken und Benedikt Schmittmann geehrt, Professoren der Universität, die dem Hitler-Faschismus kritisch gegenüberstanden, inhaftiert und in Konzentrationslagern umgebracht wurden. Die Kölner Universitätsleitung hatte die Setzung von Stolpersteinen auf dem Grundstück, das der Universität gehört, untersagt. Die Stolpersteine mit ihren Namen liegen daher auf städtischem Boden.)

Hoffentlich auf bald!

Peter für den Arbeitskreis Zivilklausel

Und das Lernen des Schauspielers muß zusammen mit dem Lernen der anderen Schauspieler, sein Aufbau der Figur mit dem Aufbau der anderen Figuren vorgenommen werden. Denn die kleinste gesellschaftliche Einheit ist nicht der Mensch, sondern zwei Menschen. Auch im Leben bauen wir uns gegenseitig auf.

Bertolt Brecht, Kleines Organon für das Theater, 1949


Bibliographische Angaben zu den verlesenen Texten:

Albert Einstein
– „Warum Krieg?“ Briefwechsel mit Sigmund Freud

Anne Frank
– aus dem Tagebuch

Benedikt Schmittmann
– Die Verdrängung des sozialwissenschaftlichen Universitätsstudiums duch das Wirtschaftsdiplom. Kritisches zur neuen Volkswirtschaftsdiplomprüfung, 1926

Bertolt Brecht:
– Verbrennt mich!!
– An die Nachgeborenen
– Die Auswanderung der Dichter
– Legende von der Entstehung des Buches Taoteking auf dem Weg des Laotse in die Emigration
– Kleines Organon zum Theater
– Besuch bei den verbannten Dichtern
– Über die Bezeichnung Emigranten

Erich Maria Remarque
– Im Westen nichts Neues

Erich Kästner
– Fabian

Erich Mühsam:
– Der Revoluzzer

Franz Kafka
– In der Strafkolonie
– Beschreibung eines Kampfes. Novellen, Skizzen, Aphorismen aus dem Nachlaß, in: Franz Kafka, Gesammelte Werke, hrsg. von Max Brod, Taschenbuchausgabe in acht Bänden, Frankfurt 1983, darin die Seiten 70-71: „Das Stadtwappen“ (ursprüngliche gebundene Ausgabe: Frankfurt 1969).

Georg Weerth
– Rede auf dem Freihandelskongress in Brüssel (18. September 1847), Werke I, S. 112-116
– Gedicht: „Heute morgen fuhr ich nach Düsseldorf“, Werke I, S. 80-83
(aus: Werke in zwei Bänden, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1974.)

Heinrich Mann
– Der Untertan

Irmgard Keun
– Ausschnitt des Romans: Gilgi, eine von uns (1931) aus: Irmgard Keun Das Werk, Bd. 1 S. 51ff.

Jannis Ritsos
– „Epilog“. In: Die Umkehrbilder des Schweigens, Suhrkamp 2001, S. 141

Joachim Ringelnatz
– Gedichte aus: Die Schnupftabakdose. Stumpfsinn in Versen, 1912

Joseph Roth
– Juden auf Wanderschaft (1928)

Gertrud Kolmar
– Gedicht „Der 9. November 1918“. Aus den nachgelassenen Gedichten, veröffentlicht 1978 in der DDR unter dem Titel „Das Wort der Stummen“.

Karl Marx
– Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf) 1857-1858.
Europäische Verlagsanstalt Frankfurt, Europa Verlag Wien.
Ausschnitte von den Seiten 592 – 596

Konstantin Wecker
– Sage NEIN! (1992)

Kurt Tucholsky
– keinen Mann und keinen Groschen
– Und wer spricht für euch?
– Über wirkungsvollen Pazifismus (alle aus: Unser Militär! Büchergilde Gutenberg 1982)
– Berlin! Berlin!
– Deutschland erwache! (1930)
– Olle Germanen (1925)
– Der Mensch
– Drei Minuten Gehör
– Ich möchte Student sein

Oskar Maria Graf
– Das Leben meiner Mutter
– Verbrennt mich“

Mascha Kaleko
– Gedichte: Kinder reicher Leute (1933), Emigrantenmonolog (o.J.) aus: Der Große Conrady- Das Buch deutscher Gedichte, S.644f.

Theodor Plievier
– Der Kaiser ging, die Generäle blieben. (Bibliothek der verbrannten Bücher) Fischer Taschenbuch 5171, 1981. Auszüge aus den Seiten 204-238

Thomas Mann
– Der Zauberberg

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