Benno Malte Fuchs: Rüstungsinteressen bedrohen Zivilklauseln in NRW

Die CDU-FDP-Regierung in NRW will die Verpflichtung der Hochschulen auf „friedliche Ziele“ beenden. Im Landtag wird debattiert, draußen demonstriert. DFG-VK-Bundessprecher Benno Malte Fuchs bei den Rednern.

24.1.2019. Heute ist im Landtag NRW in Düsseldorf erstmals über ein neues Hochschulgesetz debattiert worden. Bestandteil dieses Gesetzes soll es sein, die Autonomie der Hochschulen zu vergrößern, womit die Autonomie der Student*innen eingeschränkt würde. Eine der Verschlechterungen dieses Gesetzes soll, wenn es nach CDU und FDP geht, die unter Rot-Grün hart erkämpfte Zivilklausel, die Hochschulen in NRW sich in ihre Grundordnung schreiben müssen, streichen.

Die Formulierung der Zivilklausel, welche im Rahmen des Hochschulgesetzes vor vier Jahren in Kraft trat und binnen eines Jahres in die Grundordnungen der Universitäten geschrieben werden sollte lautet wie folgt (§ 3 Abs. 6 Hochschulzukunftsgesetz):

Die Hochschulen entwickeln ihren Beitrag zu einer nachhaltigen, friedlichen und demokratischen Welt. Sie sind friedlichen Zielen verpflichtet und kommen ihrer besonderen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung nach innen und außen nach. Das Nähere zur Umsetzung dieses Auftrags regelt die Grundordnung.

Aus diesem Grund fand heute vor dem Landtag in Düsseldorf eine Kundgebung in Protest gegen die Realisierung der Vorhaben von CDU und FDP für das neue Hochschulgesetz statt. Es waren ca. 100 Student*innen, die gegen das neue Hochschulgesetz auf der Straße waren.

Benno Malte Fuchs von der DFG-VK hatte ein Grußwort für die Student*innen gehalten, die trotz der Kälte in guter Stimmung waren. Anbei die Verschriftlichung der Rede:


Die DFG-VK NRW solidarisiert sich mit allen Student*innen, die sich für friedliche Forschung an Unis einsetzen.

Wir brauchen mehr Friedensforschung, und Forschung für den Krieg muss gestoppt werden!

Die Zivilklausel ist sowohl eine Erinnerung an die Natur von Wissenschaft, als auch der nachhaltige Schutz dafür, dass Wissenschaft im Frieden weiterhin bestehen kann, Wissenschaft für den Frieden forschen kann: Sie ergänzt die Freiheit von Forschung und Lehre und steht nicht in einem Widerspruch zu dieser.

Das Ziel von Wissenschaft ist die Wahrheitsfindung. Wissenschaft hat einen Zweck, sie soll dem Menschen nutzen, sie hat Verantwortung für die Menschlichkeit.

Kriege setzen Lügen vorraus: Kriege können in der Regel nicht geführt werden, ohne dass eine Vielzahl der an ihnen beteiligten oder von ihm betroffenen Akteure belogen wird.

Krieg und Wissenschaft passen demnach nicht zusammen: Forschung für den Krieg ist keine Wissenschaft, sie steht in einem Widerspruch zu ihr.

Forschung kann auch nur durch Frieden ermöglicht werden: Kriege verhindern in vielen Fällen, dass Wissenschaft überhaupt erst stattfinden kann. Kriege und Gewalt schränken die Möglichkeit ein, kreativ zu sein und Lösungen für wichtige Probleme zu finden, auch sind die Rahmenbedingungen in Ländern, die durch Krieg zerstört sind, oft nicht ausreichend, um wissenschaftlich arbeiten zu können. Im Krieg gibt es keine Freiheit, auch keine für Forschung und Lehre: Forschung für den Krieg nutzt letztenendes nur der Rüstungsindustrie, ihre Wirkung ist ultimativ zerstörerisch für das Leben. Sie verhindert aktiv, dass in Ländern, in denen die Ergebnisse von dieser Forschung ausgeübt werden, eine Freiheit von Forschung und Lehre existieren kann. Sie ist es also, die abgeschafft werden muss. Ein gutes Mittel der Wahl sind Zivilklauseln, als ein Bestandteil, das zu erreichen.

Die Exporte von Rüstungsgütern und Rüstungstechnologie tragen zum Krieg, zur Zerstörung und zum Tod bei: Diejenigen, die daran arbeiten und diese Exporte ermöglichen und die Politiker*innen, die diesen Exporten zustimmen, sind genau so schuld an diesen Verbrechen gegen die Menschheit wie diejenigen, die auf den Knopf drücken.

Es ist politisches Kalkül, dass nun die Landesregierung NRW plant, die Verpflichtung zurück zu nehmen, dass Universitäten eine Zivilklausel in ihrer Grundordnung aufnehmen müssen.

Die Aufrüstungspolitik der NATO, die Steigerung unseres Militäretats auf voraussichtlich 42,9 Milliarden Euro in 2019, die Militarisierung der EU durch den Beschluss einer “Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO) [und] die für 2019 anvisierte Einrichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds (EVF)”*) hat einen Einfluss auf die Entscheidungen in der Politik, die Zivilklausel abschaffen zu wollen, da diese ein Dorn im Auge der Rüstungslobby sind. Unsere Forschungspolitik ist durchsetzt von Wirtschaftsinteressen. Dazu passt ganz gut, dass das Hochschulgesetz beispielsweise durch die Wiedereinführung der Anwesenheitspflicht vorsieht, Verschulung und Entpolitisierung von Student*innen weiter voranzutreiben. Kritisch und politisch denkende und handelnde Akteure sind nicht gut für ein Land, das Kriege führt und durch Rüstungsexporte unterstützt.

Wir müssen uns gemeinsam gegen diesen Einfluss der Wirtschaft auf die Freiheit von Forschung und Lehre wehren.

Sollte das Gesetz tatsächlich in Kraft treten müssen wir flächendeckend Druck auf die Hochschulen ausüben, ihre Zivilklausel beizubehalten und zu verbessern, beispielsweise durch härtere Formulierungen, Offenlegungen von Drittmitteln, also Ergänzung einer Transparenzklausel und die Schaffung einer Kommission, welche die Einhaltung der Zivilklausel überprüft. Die Forderung an die Landesregierung muss auch weiterhin bleiben, die Universitäten mit genügend Geldern auszustatten, so dass einer Abhängigkeit von Drittmitteln entgegengewirkt wird.

Darüber hinaus muss unsere Zivilklausel-Bewegung verstärkt werden, um die Möglichkeit zu haben aufzudecken, wo militärisch geforscht wird, und um dann Widerstand dagegen ausüben zu können.

Wir können noch so viele Zivilklauseln haben: Unsere erreichten Siege für eine friedliche Forschung können nicht nachhaltig sein, wenn es keine Bewegung gibt, die sich konstant gegen die Militarisierung unseres Hochschulbereichs engagiert.

*) (29.11.18): https://www.imi-online.de/2018/05/14/ein-ruestungsfonds-fuer-die-weltmacht-europa/


Benno Malte Fuchs ist einer der Bundessprecher*innen der DFG-VK und setzt sich auf DFG-VK-Landesebene gegen die Militarisierung der Bildungspolitik ein.

Erreichbar ist er unter der Adresse fuchs[at]dfg-vk.de

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