Atomwaffen in Büchel: Amtsgericht Cochem vertagt Prozess gegen „Picknick-Gruppe“

Wir veröffentlichen die heutige Pressemitteilung der Gruppe Büchel17.


Cochem (Eifel), 3.6.2020. Am Amtsgericht Cochem vertagte Richter Zimmermann nach knapp zwei Stunden wegen anderweitiger Termine den Prozess gegen fünf aus dem gesamten Bundesgebiet angereiste Atomwaffengegner*innen der „Picknick-Gruppe“ von Büchel17 auf den 19.6.2020. Drei von ihnen hatten noch keine Gelegenheit, dem Gericht die Gründe für ihr Handeln zu erläutern. Angeklagt sind eine Ärztin (68 J.) aus Nürnberg, ein Heilerziehungspfleger (60 J.) aus Ortenberg (Baden), ein Rentner (77 J.) aus Lüchow-Rehbeck, ein Diplom-Sozialarbeiter i. R. (77 J.) aus München und ein Musiker (70 J.) aus Herford.

Eine Gruppe Menschen mit Mundschutz steht verteilt hinter und neben einem Stoffbanner mit der Aufschrift "Atombomben auf die Anklagebank!". Im Hintergrund ein Gebäude mit romantischem Natursteinportal.

Mahnwache vor dem Prozess gegen die „Picknick-Gruppe“ von Büchel17 vor dem Amtsgericht Cochem am 3.6.2020. Foto: Büchel17

Die zwischen 60 und 77 Jahre alten Friedensaktivist*innen hatten am 30.4.2019 im Raum zwischen zwei Zäunen, die den Atomwaffen-Standort und Bundeswehr-Flugplatz Büchel begrenzen, ein „atomwaffenfreies Picknick“ veranstaltet und Friedenslieder gesungen. Gleichzeitig hatte eine zwölfköpfige Gruppe der Büchel17 das Militärgelände zu einer friedlichen Mahnwache betreten. Die gemeinschaftliche Aktion führte zeitweise zur Unterbrechung des militärischen Flugbetriebs. Die zweite Gruppe wurde ebenfalls angeklagt; die Verhandlung findet am 24.6.2020 statt.

Der beklagte Heilerziehungspfleger Klaus Bürkle erinnerte an die mehr als 140.000 Toten des Atombombenangriffs auf Hiroshima am 6.8.1945. Die im Rahmen der „Nuklearen Teilhabe“ in Büchel gelagerten US-Atombomben B61 verfügen jeweils über die dreizehnfache Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. Die Bundesregierung rede zwar von Abrüstung, aber Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer habe mit der Beschaffung der neuen Militärflugzeuge, darunter für den Atombombenkrieg zertifizierte F18, die größte Aufrüstung seit Ende des Kalten Krieges angekündigt.

Das Argument, aufzurüsten, um abzurüsten, ist so, als wolle man während der Klimaverhandlungen noch schnell ein paar Kohlemeiler bauen,

so Bürkle. Zudem steige durch die Digitalisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen. Dazu beantragte der mitangeklagte Münchener Sozialarbeiter i. R. Günter Wimmer, den Informatikprofessor Karl Hans Bläsius als Zeugen zu laden.

Der Musiker Gerd Büntzly erinnerte an die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse. Er wies darauf hin, dass die Richter damals die Verantwortung des Einzelnen hervorhoben und weder das Befolgen von Befehlen noch Immunität der politischen Funktionsträger gelten ließen.

Wir führen hier einen „Nürnberger Prozess“ vor dem Ereignis. Denn nach einem Atomkrieg ist das nicht mehr möglich,

so Büntzly.


Hintergrundinformationen

Ziviler Ungehorsam zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel seit 1997

Gewaltfreie Aktionen zur Durchsetzung des Abzugs der Atomwaffen aus Deutschland finden seit 1997 in Büchel statt. Zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten schnitten den Militärzaun auf, betraten des Militärgelände („Go-In“), hielten nicht genehmigte Versammlungen ab, riefen zu Befehlsverweigerung, Blockaden, Go-In-Aktionen und zum „Whistleblowing“ auf. Seitdem wurden mindestens 95 Menschen wegen Straftaten im Zusammenhang mit solchen Aktionen Zivilen Ungehorsams angeklagt, einige von ihnen mehrmals. Darüber hinaus gab es einige Bußgeldbescheide wegen Ordnungswidrigkeiten. Dreizehnmal gingen Menschen ins Gefängnis, nachdem sie wegen Teilnahme an gewaltfreien Aktionen in Büchel verurteilt worden waren. Derzeit dürften wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams zur Abschaffung der Atomwaffen in Büchel 36 Strafverfahren laufen. Außerdem sind fünf Verfassungsbeschwerden anhängig. Die nächsten Verhandlungen im Amtsgericht Cochem wegen Zivilen Ungehorsams in Büchel sind terminiert für den 8., 10. und 24. Juni sowie für den 2. und 7. September 2020.

Quelle: Martin Otto, GAAA; Kampagne Wider§pruch

Informationen zur Aktion Zivilen Ungehorsams am 30.4.2019:
Fotos vom 30.4.2019 (Bitte um Namensnennung „Büchel17“): Album „Büchel17“ auf Flickr
Pressemitteilung vom 30.4.2019 

Einlassung von Gerd Büntzly am 3.6.2020 (pdf zum Download)

Pressekontakt:
Stefanie Intveen, 0151 56094920, stefanie.intveen@web.de
Hintergrundinfos zu weiteren Strafverfahren wegen Aktionen Zivilen Ungehorsams in Büchel erteilt Martin Otto, Gewaltfreie Aktion Atomwaffen abschaffen, per Email: jur.folgen@gaaa.org

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2 Antworten

  1. Lieselotte Kirstein-Mätzold sagt:

    Ihr lieben Alle, ich verfolge euren Prozess intensiv. Nun habe ich ein Problem: Ich finde die Rede von dir, Gerd (Buenzly), nicht wieder. Ich habe sie vor 2 Tagen gelesen und bin tief beeindruckt, auch von der Klarheit und deiner Ausrichtung euren Prozess mit den Nürnberger Prozessen zu vergleichen. Wohl wahr !!! Wie also komme ich an deine Rede zum Ausdrucken? Kannst du mir helfen? In Gedanken bleiben Frithjof und ich weiterhin mit euch Allen verbunden. Mit couragierten Grüssen Bärbel Lieselotte mit Frithjof

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