Drohnenprozeß: Offener Brief an die Richterin

Verfahren bin Ali Jaber gegen Bundesrepublik Deutschland am 27. 5. 15 im Verwaltungsgericht Köln

Köln, den 28. Mai 2015

 Sehr geehrte Frau Caspari-Wierzoch,

bei dem Gerichtsverfahren der Familie bin Ali Jaber gegen die Bundesregierung am 27. 5. war ich im Gerichtssaal.
Ich bin besorgt über die Aushöhlung der Demokratie, die sich im Drohnenkrieg der USA zeigt. Wenn der amerikanische Präsident hinter verschlossenen Türen Todeslisten abzeichnet, ist das in meinen Augen ein Rückfall hinter die Habeas-Corpus-Akte, mit der einst in England die Macht des Königs eingeschränkt wurde, nach Belieben Menschen zu verhaften oder töten zu lassen. Verhaftete waren seitdem einem Richter vorzuführen. Diese Geburtsstunde der Demokratie, die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Jurisdiktion ist in den USA durch das Verfahren des Drohnenkrieges ausgehebelt. Die US-amerikanische Justiz wird ihrer Verpflichtung zur Beschränkung der Macht der Exekutive nicht gerecht. Jeder kann in Gegenden, die die US-Regierung ausgesucht hat, aufgrund von geheimdienstlichen Verfahren, die der Öffentlichkeit und der Justiz nicht zugänglich sind, zum Opfer eines Drohnenangriffs werden.
Dass dabei dann auch Leute getötet werden, die sich – wie der Schwager des Klägers – als Prediger gegen die Terroristen wenden, ist ein beredtes Beispiel dafür, dass der Krieg gegen den Terror Öl ins Feuer gießt und zivilgesellschaftlichen Kräften schadet, die dem Terror entgegentreten wollen. Auf der Strecke bleiben dabei nicht nur die Opfer, sondern auch die Demokratie, die vorgeblich verteidigt werden soll.

Deutschland ist in diese Besorgnis erregende Vorgehensweise der US-Regierung tief verwickelt, indem deutsches Territorium für amerikanische Militärbasen zur Verfügung gestellt wird, die dem Drohnenkrieg dienen. Ihnen ist zu danken, daß sie diese Tatsache anerkannt haben, indem das Verwaltungsgericht die Klage der Jemeniten angenommen hat. Auch die unglaubwürdige Position der Rechtsvertreter der Bundesregierung, sie wisse von Nichts haben Sie mit klaren Worten zurecht gerückt.
Die Chance aber zu ergreifen, dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen und die Macht der Exekutive dort zu begrenzen, wo Recht gebrochen wird, haben Sie verpasst. Wenn in unserer Verfassung steht, dass das Völkerrecht unmittelbar geltendes Recht ist, dann kann es nicht sein, dass auf den Militärbasen verbündeter Mächte in Deutschland ein rechtsfreier Raum herrscht. Wenn das Völkerrecht von deutschem Boden aus gebrochen wird, dann sind Verträge zu kündigen, die dies zulassen. Der im gestrigen Prozeß anstehenden Frage, ob der US-Drohnenkrieg mit dem Völkerrecht vereinbar ist, sind Sie mit fadenscheinigen Gründen ausgewichen. Das entsetzliche Diktum der Rechtsvertreter der Bundesregierung, es sei „nicht Aufgabe der Bundesrepublik, sich … als Hüterin des Völkerrechts zu gebärden“ blieb von Seiten des Gerichts ebenso unwidersprochen wie die Argumentation, die im Drohnenkrieg zu beklagenden „Kollateralschäden“ seien „verhältnismäßig“ und völkerrechtlich unbedenklich.
Für den Fall, dass die Bundeswehr selbst über Kampfdrohnen verfügt, kann einem angesichts dieser Rechtsauffassung der Bundesregierung nur Angst und Bange werden, sollte sich die Rechtsprechung der deutschen Gerichte an Ihrem Vorbild orientieren, Frau Richterin. Nachdem die Bundesregierung solche Rechtspositionen vertritt, stellen sich Zweifel ein, ob die deutsche Armee wirklich Demokratie und Grundgesetz verteidigt.
Für ein Land, dem die Wiedervereinigung ermöglicht wurde mit der Zusage, dass von deutschem Boden kein Krieg ausgeht, kann man sich nur schämen, wenn dann im Fall von Militärbasen der Bündnispartner die Hände in Unschuld gewaschen werden und gesagt wird: „Wir haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten…..“. Und der Krieg von deutschem Boden kann weiter seinen Lauf nehmen.
Besonderes Befremden hat mir die von Ihnen vorgetragene Argumentation ausgelöst, dass die USA ja schon dabei seien, in Italien eine ähnliche Datenübertragungsstation wie in Ramstein aufzubauen.
Das Argument, „wenn ich es nicht tue, tut es sowieso ein anderer“ kenne ich von Kriminellen und Zynikern. Es von einem deutschen Gericht zu hören hätte ich nicht erwartet.

Das Urteil, dass Deutschland den auf Schutz ihres Lebens klagenden Jemeniten diesen Schutz verweigert, hat das Gericht unter Ihrem Vorsitz im Namen des Volkes gesprochen. Ich mag nicht glauben, dass wirklich im Namen des Volkes staatsterroristische Akte sich beliebig deutschen Territoriums bedienen dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

(Harald Fuchs)

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