Ria Makein: Warum ich am 8. Januar 2024 in Cochem vor Gericht stehen und mit gutem Gewissen ins Gefängnis gehen werde

Unsere Friedensfreundin und langjährige Anti-Atomwaffen-Aktivistin Ria Makein wäre am 28.12.2023 zu unserem Gruppentreffen gekommen, wäre die Zugverbindung vom Niederrhein nach Köln nicht ausgefallen. Wir veröffentlichen gern, was sie uns vorgetragen hätte, und laden zur Mahnwache am 8.1.2024 um 8 Uhr vor dem Amtsgericht Cochem ein:


Guten Abend und Danke, dass ich bei Euch sein kann. Anlass ist die Tatsache, dass ich mit fünf anderen Menschen am 8. Januar 2024 vor der Richterin des Amtsgerichtes in Cochem stehen werde.

Wir haben am 8. Mai, ganz bewusst am Tag des Kriegsendes des 2. Weltkrieges, in Büchel in der Eifel gegen die dort gelagerten Atombomben protestiert, indem wir ins Gelände hineingegangen sind. Dort wird zurzeit die Landebahn ausgebaut, damit die modernen Jagdbomber dort starten und landen können. Dies ist ein weiterer Schritt zur Vorbereitung des Atomkrieges, den wir alle nicht überleben werden.

Wie kam ich dazu, bei einer solchen Aktion zivilen Ungehorsams mitzumachen? Es war nicht das erste Mal! Ich bin das fünfte Kind in einer Familie mit elf Kindern, und wir gehörten nicht zu den Wohlhabenden. Mein Vater hat im letzten Krieg seine drei Brüder verloren, meine Mutter ihren 17-jährigen Bruder.

Ich bekam die Gelegenheit, die Realschule zu besuchen, machte die Industriekaufmannslehre in der Kinderschuhfabrik Gustav Hoffmann in Kleve und konnte dann dank BaföG in Düsseldorf Sozialpädagogik studieren. Dafür bin ich diesem Staat sehr dankbar und befürworte einen starken Staat zur Erfüllung aller seiner sozialen Aufgaben. In den ersten 18 Jahren meiner dann folgenden Berufstätigkeit leitete ich in Köln einen evangelischen Kindergarten.

Als ich dort mit 29 Jahren darauf aufmerksam gemacht wurde, dass wir auf einem Pulverfass leben und mit dem sogenannten NATO-Doppelbeschluss eine weitere Lunte gelegt werden sollte, begann ich darüber nachzudenken, für welche Zukunft ich diese Kinder vorbereite. Eine Zukunft unter der atomaren Bedrohung wollte ich nun vermeiden helfen. Ich begann zu protestieren: Die Großdemos in Bonn 1981 und 1983, Blockaden in Mutlangen, wo die Pershing II stationiert werden sollten, und dort auch die ersten Einstiege ins Militärgelände mit folgenden Gerichtsverhandlungen und Gefängnisaufenthalten in den Jahren 1991 und 1994. Als in Linnich Glimbach ein „atombombensicherer“ NATO- Bunker erstellt wurde, gestalteten wir als Akt des zivilen Ungehorsams eine Karfreitagsandacht im Baugelände. Der nächste Einstieg erfolgte in die Frankfurter Airbase, weil von dort die Militärflüge in den Irak starteten. Im Dezember vor Beginn der Offensive flog ich mit der Initiative „Frieden am Golf“ nach Bagdad. Die Idee war, sich gegen die zurückgehaltenen Europäer dort austauschen zu lassen, um das Argument der „Geiselbefreiung“ zu entkräften.

Dies alles sollte jedoch auch nicht allein die Zukunft der Kinder mit absichern. 1994 zog ich ins eigene Haus nach Bedburg-Hau, Baujahr 1905 und erst mal eine Baustelle. Meine Arbeitsstelle war jetzt im begleitenden Dienst der Heilpädagogischen Hilfen für Erwachsene mit geistigen und mehrfachen Behinderungen und herausforderndem Verhalten. Die zunehmende Militarisierung ließ mir jedoch bis heute keine Ruhe, zumal hier Ressourcen verschwendet werden, die dringend für soziale Belange benötigt werden, zur Rettung von Menschen nicht nur rund um das Mittelmeer und auch zur Rettung des Klimas.

Nun war ich auch nicht damit einverstanden, dass dieser ganze Wahnsinn auch mit meinen Steuerzahlungen finanziert wird. Somit habe ich seit 1985 beim Finanzamt dagegen Klage eingelegt und das Finanzamt mehrmals verklagt. Dies führte natürlich nicht zum Erfolg, sodass ich dem Finanzamt vor einigen Jahren mitteilte, nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten zu wollen. Seitdem geht jeder Brief vom Amt mit „Annahme verweigert“ zurück, und ich muss jederzeit mit Pfändung meines Kontos rechnen. Seit Jahren bin ich Mitglied im Netzwerk Friedenssteuer, das einen realisierbaren Gesetzesvorschlag erarbeitet hat, nachdem die Steuerbürger entscheiden könnte, ob sie auch fürs Militär oder nur für soziale Haushaltsbelange ihre Steuern verwendet sehen wollen. Dieser Gesetzesvorschlag ist (natürlich) nicht angenommen und nicht einmal verhandelt worden.

Mein ziviler Ungehorsam ist eingebettet in dem Versuch, mit möglichst kleinem ökologischen Fußabdruck zu leben. Eine Solaranlage schmückt seit mehr als 20 Jahren unser Dach, wir kaufen möglichst ökologisch und fair ein, ich lebe weitestgehend vegan, fahre so wenig wie möglich Auto und kann daher nicht akzeptieren, dass für die Vorbereitung von Krieg so viel Zerstörung in Kauf genommen wird. Ich bin den jugendlichen Protestierern in Fridays for Future ausgesprochen dankbar, dass sie mit ihren Demonstrationen den Ressourcenverbrauch der reichen Länder skandalisieren und sich für echte Klimapolitik einsetzen.

Dem steht nun das Einüben von Panzerfahrten und Bombenflügen deutlich entgegen. Eine Flugstunde dieser Tornados kostet so viel wie ein Jahresgehalt einer Erzieherin im Kindergarten. Wie viel Energieverbrauch und Umweltvergiftung sind gleichzeitig damit verbunden?

Nun aber zurück zu den Gerichtsverfahren. Am 8. Mai sind wir als Gruppe von sieben Menschen ins Militärlager in Büchel gelaufen. Ja, in der Tat: wir sind durch das offene Tor reingegangen und so weit wie möglich an den Wachleuten vorbei, die uns natürlich hindern wollten. Zwei Personen von uns sind tatsächlich bis zur Baustelle vorgedrungen, um den Bauarbeitern dort bewusst zu machen, woran sie dort beteiligt sind.

Wir wurden dann hinausgebracht, und in Cochem in der Polizeidienststelle wurden die Personalien aufgenommen. Es erfolgte die Anzeige wegen Hausfriedensbruchs. Was sich die Richterin ungefähr anhören muss, will ich Euch jetzt vortragen. Es ist meine Argumentation vor dem Landgericht in Koblenz im Jahr 2021.

Für diese Tat ging ich 2022, kurz vor meinen 70. Geburtstag ins Gefängnis, um die 30tägige Geldstrafe nicht bezahlen zu müssen. Weil die bisherigen, aus den 80er Jahren stammenden Strafen verjährt sind, wird erst die nun folgende Aktion als Wiederholungstat verfolgt und bringt dann 60 Tage.

Ich gehe mit gutem Gewissen ins Gefängnis.

Ein Dutzend meist älterer Männer und Frauen, zum Teil mit Mund-Nase-Schutzmasken, stehen mit einem selbstgemalten weißen Transparent "Atombomben auf die Anklagebank!" vor einem schönen alten Gebäude aus rotem Sandstein.

Ria Makein (ganz links) und Mitstreiter*innen protestieren vor dem Amtsgericht Cochem am 2.6.2020: „Atombomben in Büchel: deutscher Beitrag zum atomaren Massenmord!“. Foto: Stefanie Intveen


Einige Mitglieder der DFG-VK Gruppe Köln fahren am 8.1.2024 frühmorgens gemeinsam nach Cochem, um vor dem Amtsgericht eine Mahnwache abzuhalten und Ria bei ihrem Prozess zu begleiten. Wer sich anschließen möchte, setze sich bitte mit uns in Verbindung (kontakt@friedenkoeln.de).

Das könnte dich auch interessieren …

×